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Montag, 21. Januar 2013

Mein literarisches Highlight des Jahres 2012

 
Kurzbeschreibung Amazon:
 

Völlig überraschend trifft Elio seine erste große Liebe: Der Harvard-Absolvent Oliver ist für sechs Wochen bei Elios Familie an der italienischen Riviera zu Gast, wo er ein Buch abschließen will. Oliver ist alles, was Elio will, vom ersten Moment an. Die Zuneigung ist gegenseitig, doch Schüchternheit und Unsicherheit veranlassen beide zur Zurückhaltung. Ein fast unerträgliches Spiel von Verführung und Zurückweisung beginnt. In einem kurzen Sommer zwischen Obsession und Angst, Verlangen und Verzweiflung suchen zwei Menschen nach dem Augenblick der absoluten Erfüllung.

 




Meine Meinung:

Eigentlich bin ich kein Freund von Liebesgeschichten. Trotzdem hat mich dieses Buch auf eine Empfehlung hin neugierig gemacht. "Ruf mich bei deinem Namen" ist das erste Buch, das ich nach einer mehrmonatigen Leseflaute zur Hand genommen habe - und es hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Ruhig, unaufgeregt, gefühlvoll und ohne eine Spur von Pathos oder Bewertung einer erblühenden Liebe zwischen zwei jungen Männern, versteht es André Aciman, die Verwirrung und die Begierde des jugendlichen Ich-Erzählers in eine Geschichte zu verwandeln, die noch lange im Leser nachhallt. Besonders schön fand ich neben der poetischen Sprache und den verzweifelt-leidenschaftlichen Beschreibungen, dass keiner der beiden Protagonisten einen Stempel aufgedrückt bekommt, der sie für die Gesellschaft in den 1980er Jahren, in denen die Erzählung angesiedelt ist, brandmarken würde. Es gibt kein "schwul" oder "bi", sondern einzig die Emotionen zweier Menschen, die sich unwiderstehlich zueinander hingezogen fühlen und die darüber doch sehr unsicher sind.

Oliver, der amerikanische Gast, gibt sich dem Professorensohn Elio zunächst spröde gegenüber, doch nach und nach entdeckt Elio Gemeinsamkeiten, von denen er glaubt, auch Oliver müsse sie bemerken. Beide lieben Gedichte, sind Außenseiter, unsicher und schüchtern, wenngleich der gut aussehende Oliver diese Eigenschaften mit Sarkasmus, zahllosen Affären in der Stadt und Lassier-Faire überspielt. In seiner Begierde nach dem sieben Jahre älteren Mann fühlt sich Elio verletzt und zugleich wertlos und "falsch". Er beginnt eine Affäre mit der Nachbarstochter, um Oliver zu vergessen und sich zu beweisen, dass er "nicht gegen die Natur" ist, doch Oliver bekommt er nicht aus dem Kopf. Als es ihm schließlich gelingt, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen und mit ihm zu schlafen, verliert er sich in einem Strudel aus Selbsthass und Zerrissenheit. Für Oliver scheint es nicht mehr als ein Spiel zu sein, doch kurz vor seiner Abreise in die Staaten gesteht er Elio, ihn von Anfang an begehrt zu haben. Sehr lebendig geschildert sind die oft ein wenig kryptischen Gespräche zwischen den beiden und das, was sie miteinander verbindet. Erinnerungen an Kleinigkeiten und Orte, die nur für Liebende eine besondere Bedeutung haben.

Ihre Wege trennen sich, doch ganz aus den Augen verlieren sie sich nie. Oliver heiratet, gründet eine Familie und kehrt irgendwann zu Elios Familie als Feriengast zurück, doch Elio lebt mittlerweile in den Staaten, so dass sich nur ein kurzes Telefongespräch ergibt. Als sie sich später wieder treffen, weigert sich Elio, Olivers Einladung anzunehmen, da die Begegnung mit seiner Frau zu schmerzhaft wäre. Doch es zeigt sich, dass auch Oliver den italienischen Jungen nie so recht vergessen konnte. Gänsehaut hatte ich beim Schluss:

"Ich bin wie du", sagte er. "Ich weiß noch alles."

Ich stutzte sekundenlang. Wenn du noch alles weißt, hätte ich gern gesagt, und wenn du wirklich bist wie ich, dann wirst du dich, wenn du morgen abreist, ehe du die Tür des Taxis zuschlägst, wenn du dich schon von allen anderen verabschiedet hast und es in diesem Leben nichts mehr zu sagen gibt, nur dieses eine Mal mir zuwenden, vielleicht auch nur im Spaß oder als Nachgedanke - ein Gedanke, der mir alles bedeutet hätte, als wir zusammen waren - und wirst mir, wie damals, ins Gesicht sehen, meinen Blick festhalten und mich bei deinem Namen rufen."

Fazit: Ein wirklich lesenswertes, wunderbares Buch, das nachdenklich stimmt und ganz sicher noch mehrmals von mir gelesen wird! Ich bin restlos begeistert von der Melancholie und dem Einfühlungsvermögen, das Aciman in dieses feine, nie vulgär wirkende Werk gesetzt hat.

Bewertung:  



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