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Freitag, 6. Dezember 2019

"Arctic" mit Mads Mikkelsen (2019)

Ein Mann vieler Worte ist Mads Mikkelsen in seinen Filmrollen nie. Zumindest nicht in denen, die ich kenne. Darum ist ihm "Arctic" wie auf den Leib geschrieben, in dem er - wenn es hochkommt - vielleicht eine Handvoll verschiedener Sätze sagt. Schade eigentlich, denn ich höre seine nuschelig-brummige Stimme sehr gern. Allerdings verdient es meine Hochachtung, wie man aus einem Film, der von einem einzigen Schauspieler in einer Art Freiluftkammerspiel getragen wird, einen derart packenden Abenteuertrip machen kann, dass ich auf meinem kuscheligen Sofa Gänsehaut bekomme und mich vor Spannung am heißen Tee verschlucke.




Inhalt und Meinung: Der Polarforscher Overgard ist schon längere Zeit in der Arktis mit seinem Flugzeug gestrandet. Jeden Tag schaufelt er unter enormer Kräftezehrung ein riesiges "SOS" in den Schnee, doch seine Hoffnung auf Hilfe hat er weitgehend aufgegeben. Seine Zehen sind trotz dicker Wollsocken erfroren, er ernährt sich von rohem Fisch und testet immer mal wieder das Funkgerät, das beim Absturz des Fliegers gelitten hat. Verzweifelt wirkt er nicht, eher stoisch und fast resigniert.

Doch bei einem seiner zur Routine gewordenen Ausflüge zur nächsten Hügelkette naht Rettung: ein Helikopter schwebt heran. Overgard kann sein Glück kaum fassen, als im nächsten Moment ein Schneesturm den Heli herumwirbelt, ihn abdriften und am nächsten Felsen zerschellen lässt. Eine junge Frau überlebt schwerverletzt. Und da findet eine geistige Wendung in Overgard statt: er kümmert sich um die Frau, die ihn nicht versteht und während des gesamten Filmes nur ein oder zwei Worte spricht, da sie mehr oder weniger ohne Bewusstsein vor sich hindämmert.

"Es ist alles gut. Sie sind nicht allein" und "Drücken Sie meine Finger!" sind anscheinend die einzigen kommunikativen Brücken, die Overgard ihr bauen kann. Rührend, obwohl er meist nicht viel Gefühl zeigt: er besorgt das Foto ihrer Familie aus dem Helikopter und steckt es in ihre Brusttasche oder legt es ihr in die Hand.  Auch ein Feuerzeug befindet sich im Helikopter, und so kann er mithilfe seines Campingkochers endlich Feuer machen und mit der Frau eine köstliche Forellensuppe teilen. Die Mimik von Mads Mikkelsen - sparsam und trotzdem beredt - sagt in Situationen wie dieser mehr als Worte es getan hätten.


Mjam... Lecker Sushi.


Mit der Verantwortung für einen zweiten, hilflosen Menschen setzt erneut der Überlebenswille ein. Overgard beschließt, nach Norden zu gehen, von wo aus Helikopter nach vermissten Personen suchen. Die Route rechnet er sich anhand einer Karte aus, packt die junge Frau auf einen Schlitten und marschiert los, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Doch der Weg erweist sich als schwierig und gefährlich. In der Szene, in der er den Schlitten und anschließend die im Schlafsack vermummelte ohnmächtige Frau bergan über vereistes Geröll zieht, leidet man als Zuschauer vermutlich mehr als der entkräftete Overgard. Damit nicht genug. Die Höhle, die er und seine vor sich hindämmernde Begleitung zur Nacht aufsuchen, ist nicht unbewohnt. So viel sei gesagt: es sind keine gastfreundlichen und hilfsbereiten Innuit, die Overgard einen Besuch abstatten. Man zittert und bangt und fühlt sich selbst elend, wenn in dem eher ruhig erzählten Film Dinge geschehen, die einfach nicht sein dürfen und die so tückisch über den armen Mann hereinbrechen und irgendwie doch vorhersehbar sind.


Keuch... Schnauf...


Zwei wirkliche Schockmomente gab es für mich, bei denen ich mich gefragt habe, was denn jetzt eigentlich tatsächlich passiert ist. Alle beinahe übermenschlichen Anstrengungen führen nämlich nicht zum Ziel, und ich glaube, dass Overgard - so sehr er sich um die Frau bemüht - nach ein paar Tagen des Herumirrens feststellt, dass ihm eine weitere Person eher hinderlich ist, wobei diese Szene in der Tat Interpretationssache bleibt: er lässt die apathische Frau in einer windgeschützten Eisnische zurück, nachdem sie nicht mehr auf Befehl seine Finger drückt. Doch diesmal dreht er sich um, sieht unerwarteterweise ein Heidekraut aus dem Schnee sprießen und - fällt in ein schneebedecktes Loch im Boden. Da lagen meine Nerven bereits blank. Bevor ich aber zu viel verrate, lege ich jedem, der gut gemachte Survivalfilme mit Tiefgang und überwältigende Naturaufnahmen mag, "Arctic" ans Herz. Obwohl ich mich als Fan von Mads Mikkelsen bezeichne (der Mann ist selbst mit Zottelbart und im unförmigen Michelinanzug sexy!), habe ich nicht damit gerechnet, einen so fesselnden und undramatisch dramatischen Film zu sehen, in dem Mads Mikkelsen vermutlich die Rolle seines Lebens spielt. Von mir gibt es satte fünf




Bildquelle: Amazon