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Samstag, 17. Oktober 2015

Düsteres Schauermärchen: Crimson Peak

Seit Monaten sehnsüchtig erwartet, konnte ich gestern in einem Schuhkartonkino endlich den Goth Horror "Crimson Peak" sehen. Und muss gleich dazu sagen, dass klassische Horrorfans - die meisten der Zuschauer - enttäuscht den Saal verließen, da sich der Horror als Romanze entpuppte. Eine Enttäuschung, die ich nicht geteilt habe, wobei ich die in die Irre geleiteten Blutdurstigen schon verstehen konnte, wenn die Erwartungen von Gore und Splatter nicht erfüllt werden. Mir persönlich hat der Film derart gut gefallen, dass ich ihn mir bestimmt nicht zum letzten Mal angesehen habe. Zugegeben, Tom Hiddleston als Thomas Sharpe ist nicht ganz unschuldig daran, doch auch sonst war der Film optisch ein Genuss für mich. Die Kritik, dass dabei der Plot auf der Strecke bleibt oder zu vorhersehbar wäre, ist vielleicht berechtigt, doch ich habe eine Mischung aus verschiedenen Gruselklassikern selten so gelungen erlebt wie in Crimson Peak.




Die Handlung in Kürze (Warnung Spoiler): Mag auf den ersten Blick simpel sein, hat jedoch genügend Tiefe, seelische Abgründe und auch Wendungen, um den Film noch ein bisschen in sich nachklingen zu lassen. In erster Linie geht es in Crimson Peak nicht um Geister (hier eher eine Metapher für die Vergangenheit) oder Horroreffekte (die erstaunlich sparsam eingesetzt werden), sondern um Beziehungen, und das auf recht pikante Weise. Im Mittelpunkt stehen der Baronet Thomas Sharpe und seine Schwester Lucille, eine Art erwachsenes Geschwisterpaar à la Miles und Flora aus "Schloss des Schreckens". Gemeinsam finanzieren sie mit unlauteren Mitteln ihr marodes Anwesen Allerdale Hall in Cumbria / Nordengland. Thomas gibt vor, der ehrliche Geschäftsmann zu sein, während die skrupellose Lucille vor diversen Verbrechen und eingefädelter Heiratsschwindelei nicht zurückschreckt. Das ändert sich, als die Amerikanerin Edith Cushing als weiteres "Opfer", das diesmal von Thomas ausgesucht wird, in ihr Leben tritt.

Es kommt, wie es kommen muss: der schöne, elegische Baronet verliebt sich in Edith und macht damit Lucille einen Strich durch die kaltblütig aufgestellte Rechnung. Und nicht nur das, nein, es kommt noch ärger: er wagt es sogar, mit Edith in einer abgelegenen Poststation zu übernachten und Lucille auf Allerdale Hall allein zu lassen. An Lucilles Reaktion am nächsten Morgen lässt sich erahnen, wie es um das Verhältnis der vereinsamten Geschwister wirklich bestellt ist. Durch ihre traumatische Kindheit verbindet sie nicht nur kriminelle Energie, sondern etwas, das Lucille nicht bereit ist, zu teilen: die uneingeschränkte Bewunderung und Liebe des von ihr vergötterten Bruders. Ziemlich brisant, vor allem, da Edith die beiden in flagranti ertappt und herausfindet, dass es ein Kind gab. Sie verliert ihr Vertrauen zu Thomas und sieht sich eingesperrt in Allerdale Hall, langsam krank werdend und vergiftet durch Lucilles Raffinesse. Zum Glück wittert ihr New Yorker Jugendfreund Morgenluft, reist nach England und verhindert in letzter Minute das Schlimmste. Doch ohne Thomas, der sich gegen Ende des Films zwischen zwei Stühlen bzw. Frauen sieht, wäre Edith die Flucht aus dem Anwesen nie gelungen. Das Opfer, das er bringt, fordert einen hohen Preis.

Meine Meinung: Ok, erwischt. Ich mag Tom Hiddleston, daher muss es mir gestattet sein, ein bisschen zu schwärmen. Ich mochte ihn unheimlich in dieser Rolle, denn er hat etwas an sich, das stark, beschützerisch, sexy und verletzlich zugleich wirkt. Als Thomas Sharpe nimmt man ihm die innere Zerrissenheit ab, mit der er kämpft, und obwohl behauptet wurde, es gäbe kaum einen Funken Chemie zwischen ihm und Mia Wasikowska als Edith, fand ich die beiden nicht nur optisch ein schönes Paar. Auch die Dialoge zwischen ihnen haben mich gerührt und waren nicht selten von einer fast philosophischen Weisheit. Dazu kommen natürlich Mr. Hiddlestons elegantes Auftreten und seine eigenwillige Schönheit, die ihn für den rätselhaften Fremden geradezu prädestinieren (und das, obwohl Benedict Cumberbatch die erste Wahl des Regisseurs Guillermo del Toro gewesen wäre).

Der heimliche Star war für mich Jessica Chastain als Lucille. Anders als Thomas, weiß sie, was sie will, und geht dafür buchstäblich über Leichen. Die Kunst, dabei noch nachvollziehbar zu handeln und widerwillig Sympathien zu gewinnen, geht sicherlich auf das Konto der Schauspielerin und nicht auf das der fiktiven, grausamen Lucille. Denn irgendwie - und man wundert sich eigentlich, warum es so ist - tut sie einem am Ende leid. Ich hätte mir gewünscht, sie hätte das Angebot ihres Bruders angenommen, mit Edith zusammen in eine andere Stadt zu ziehen. Und dennoch gibt es für sie keinen anderen Ausweg, als zu verhindern, dass Edith nach Lucilles Verständnis einen Keil zwischen sie und Thomas treibt. Übrigens fand ich die beiden als Geschwister ziemlich gelungen.

Zum unvergleichlichen Kinoerlebnis beigetragen haben natürlich das verschwenderisch ausgestattete Setting und die opulenten Bilder, von denen keines aus dem Computer kam. Ich war fast zu nahe an der Leinwand, um jedes Detail gebührend zu bewundern. Auch die etwas altmodische Machart, die als Hommage an die Hammerfilme der 1960er zu verstehen ist, hat mir sehr gefallen. Weniger zündend und ein bisschen zu dick aufgetragen kamen mir die Geister im Haus vor, aber den Gesamteindruck und mein wohlwollendes Urteil von fünf Sternen können sie nicht schmälern.

Fazit: Nichts für den kommerziellen Massengeschmack und Hardcore-Horror-Fans, aber Nostalgiker und / oder Tom Hiddleston-Fans kommen voll auf ihre Kosten.



Freitag, 16. Oktober 2015

Liveübertragung aus dem Barbican Theatre: Hamlet ~ der Rest ist Weinen

Mit Spannung von mir erwartet - hauptsächlich deshalb, weil ich Fan des Hauptdarstellers bin - wurde Hamlet mit Benedict Cumberbatch, seit August im Programm des Barbican Theatre in London. Gestern war der *große* Tag. Der Tag der Liveübertragung in sämtliche Kinos in der ganzen Welt, u.a. auch in meiner Nähe.

 


 

Überrascht habe ich vor Ort festgestellt, dass nicht nur ein Kinosaal zur Übertragung diente, sondern fast der komplette Cineplex. Ziemlich unvorteilhaft in der Pause, wenn man stundenlang hinter den anderen, erstaunlich zahmen "Cumberbabes" in der Schlange vorm Damenklo steht. Glücklicherweise habe ich in weiser Voraussicht wenig getrunken und mich stattdessen über einen Eimer Popcorn her gemacht, der Hamlets Weltschmerz mit knisterndem Gemampfe gedämpft hat (ich Kulturbanause, ich!).

Ganz ehrlich: ich bin vermutlich einer der wenigen Cumberbatch-Fans, der sich kritisch über den Abend äußert. Das lag nicht an dem tollen, wandelbaren Bühnenbild, der abwechslungsreichen Kostümierung oder den großteils unleugbar überzeugenden Schauspielern - allen voran ein erstaunlich muskulöser, quirliger und fast agressiver Hamlet / Cumberbatch. Nein, es lag an dem Stück selbst, und teilweise an dem übertriebenen Gehabe mancher Darsteller wie z. B. Ophelia und den diversen Körperflüssigkeiten, mit denen ich meinen nach der Pause leeren Popcorneimer hätte füllen können.

Zu viel Tränen, Rotz und wieder Tränen, oder vielleicht waren die Schauspieler einfach überwältigt von der millionenfachen Aufmerksamkeit, die ihnen in den dreieinhalb Stunden zuteil wurde. Vielleicht lag es auch an Meister Shakespeare selbst und daran, dass ich Hamlet als eines seiner düstersten Stücke empfinde, das mit keiner befriedigenden Lösung aufwartet.

In meinen Teenagerjahren habe ich mich intensiv mit Hamlet beschäftigt, langatmige CDs von Aufnahmen der Gründgens-Inszenierung mit Maximillian Schell angehört und sogar den berühmten Monolog auswendig gelernt. Damals fand ich den grüblerischen, melancholischen Dänenprinzen faszinierend und nachvollziehbar. Heute wirkt er auf mich wie ein großes Emo-Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hat und das hilflos einer unglücklichen Verkettung von Umständen gegenübersteht. Sein Jammern und Weinen macht es nicht besser, und das, was mitunter mutig und witzig anmutet, wird schnell in Selbstzweifeln erstickt. Ein Macher ist Hamlet in der Tat nicht. Und dabei wird er von Mr. Cumberbatch mit so viel Verve porträtiert, dass er schon beinahe unfreiwillig komisch ist in seiner abgrundtiefen Verzweiflung und seinen Eskapaden beim Versuch, den giftmischerischen Heiratsschwindler respektive seinen geschwätzigen Onkel Claudius eines Verbrechens zu überführen, das ja auch wirklich von kapitaler (Wider-)Natur ist.

Glaubwürdiger in derselben Rolle, weil weitaus elegischer und trübsinniger, ist für mich ausgerechnet der Hamlet in einer Komödie, die in England als Klassiker gilt, nämlich ein unvergleichlich lethargischer Iain Glen in  Tom Stoppards Verfilmung von "Rosencrantz & Guildenstern are dead". Eigentlich tut es mir ein bisschen leid, das zu sagen, denn wie gesagt, ich fand Mr. Cumberbatch toll, und das, was er da seit Monaten ohne Unterbrechung auf der Bühne zeigt, verdient Achtung und Respekt und vor allem auch Lob. Psychisch und auch physisch ist sein Hamlet eine Meisterleistung.





Alles in allem war ich nach der deprimierenden  Tour-de-Force jedoch froh, das Kino verlassen zu können. Eine Erfahrung war es wert, aber kein Must-See. Zumindest nicht für mich.


Bildquelle: Pinterest


Freitag, 2. Oktober 2015

*Meine* kleinen Amigurumis: Große Weltenbummler

Wie bereits erwähnt, sind ein paar meiner Häkelpüppchen in der letzten Zeit auf Reisen gewesen bzw. immer noch in der großen weiten Welt unterwegs. Um mich nicht ganz aus den Augen zu verlieren, haben sie mir freundlicherweise mit Erlaubnis ihrer neuen Gastgeberinnen ein paar Impressionen von ihren Abenteuern geschickt.




Sherlock und Bilbo haben einen Auftrag zu lösen gehabt, der sie nach Portugal an die Algarve und von dort nach Spanien führte. Ob sie ihn bereits zu Bilbos Zufriedenheit erledigt haben, der Klient und Reisegefährte zugleich war, weiß ich noch nicht, doch es würde mich nicht überraschen, wenn die beiden trotz Sherlocks Superhirn und Bilbos Weltgewandtheit noch eine Weile an dem Nüsschen zu knabbern haben... alles ist sehr rätselhaft und mystisch da unten. Gut, dass sie nicht komplett alleine unterwegs waren und immer auf hilfsbereite Einheimische stießen, die ihnen auch mal großzügig ein Boot zur Verfügung gestellt haben, mit dem sie von der Insel aufs Festland rudern konnten. Es scheint ziemlich stürmische See gewesen zu sein...




Eine weitere spannende Sache war die fast unglaubliche Geschichte des Majors John André, der sich in der historischen US-Serie "Turn" trotz seiner englischen Herkunft zum Publikumsliebling hochgedient hat. Sein Darsteller JJ Feild ist daran nicht ganz unschuldig, denn wie ich mich mittlerweile mit eigenen Augen überzeugen konnte, spielt er den "Erzfeind" mit einer Raffinesse und einem Charme, dem vor allem weibliche Zuschauer nicht widerstehen können - auch US-amerikanische nicht. (O; 

Dass mein Foto des Amigurumi-Majors auf Twitter so gut ankam, war dennoch eine Überraschung und sorgte vor allem dafür, dass das Werk meiner Hände in die Hände eines Turn-Fans gelangte, der auch noch in der Gegend wohnt, in der im Spätherbst an der dritten Staffel gedreht wird.


In Chesterfield / Virginia

Obwohl  ich mich gemeinhin leicht von meinen selbstgemachten Dingen trenne, fiel es mir gerade beim Major ein bisschen schwer, der - wie Bilbo - ein Prototyp war. Zwar habe ich bereits einen Nachfolger gehäkelt, aber irgendwie tat der Abschied schon ein wenig weh, als ich daran dachte, wie weit seine Reise sein wird. Jetzt, nach knapp zwei Wochen, hat er sein neues Zuhause erreicht, und es ist schön, zu sehen und zu lesen, wie meine Twitter-Bekanntschaft sich über das Püppchen freut, das ja vielleicht in JJ Feilds Hände als kleines Fan-Souvenir wandern wird.

Aber selbst wenn es das nicht tut, so freut es mich ungemein, wenn andere sich über meine verrückten Einfälle freuen. Eigentlich gibt es kaum etwas Schöneres. Und ein Abschiedsschmerz über Wolle, Knöpfe und Füllwatte ist sowieso albern und beim Anblick von strahlenden Gesichtern und begeisterten Zeilen via Social Media schnell vergessen.


Fotos mit freundlicher Genehmigung von Sabrina und Holly