I solve crimes and blog about it

Translate

Samstag, 2. März 2024

Trauer-Tröster

Seit September letzten Jahres ist mein Leben nicht mehr dasselbe. Ich habe es geliebt, mein Leben, obwohl vieles nicht so war, wie ich es mir gewünscht hätte. Öfter verreisen, mehr von der Welt sehen, das hätte ich gern gemacht. Nun nicht mehr.

Mein Mamele ist fort und kommt nicht wieder. Da scheint plötzlich alles sinnlos, und auch materielle Güter werden unwichtig. Seit einem halben Jahr habe ich einiges an Sachen aussortiert - nicht nur Mamas - um die es mir leid getan hat. Nicht selten musste ich dabei bittere Tränen vergießen. Aber es hat irgendwie auch befreit. Man häuft so viele Dinge an im Lauf des Lebens, die man letztendlich nicht braucht. Selbst auf vermeintliche Schätze kann ich gut verzichten. 

Außer auf meine Mama, die ich so sehr vermisse, dass es nach einem halben Jahr immer noch schmerzt und ich manchmal schreien möchte. Ob das je anders sein wird hier auf Erden?


Eine Postkarte für Mama, geschickt zur guten Besserung.

Ihre Dinge, Kleider und Unterlagen anzusehen, tut weh. Als würde man sich an die Hoffnung klammern, sie käme wieder. Nein, ich werfe nicht alles fort, das käme mir auch nicht richtig vor. Aber ich kann mich nicht damit beschäftigen. Es passiert, dass ich heulend vor ihren Habseligkeiten sitze, zu ergriffen, sie anzufassen oder sie zu begutachten. Einige Bücher habe ich zum Verkauf online gestellt - eigentlich eine ganze Menge, denn sie hatte vielseitige Interessen und viele Nachschlagewerke. Das war schon ein großer, beinahe unerhörter Schritt.

Ein Trost in dieser schweren Zeit ist die Routine; Lebewesen, Sachen und Handgriffe, die sich trotz der kopfstehenden Welt nicht geändert haben. Unsere Kater sind als erstes zu nennen. Hätten wir sie nicht, gäbe es kaum mal ein Lachen aus meiner Kehle. Denn sie verhalten sich wie immer. Mal sind sie Clowns, dann ein bisschen nervtötend (Toby am Morgen) und gemütlich (Mikkel den ganzen Tag über, wenn er sich nicht gerade auf die Zwischendecke verkriecht). Ein Highlight ist es, wenn sie beide abends bei uns im Wohnzimmer sitzen. Da kommt fast so etwas wie Glückseligkeit auf.

 

 

 Wir gehen jetzt häufiger weg als vorher. Zu Bekannten, Verwandten und Freunden. Oder sie kommen zu uns auf einen Kaffee. Auch das hilft sehr. Wenngleich wir mitunter merken, dass unsere Trauer für viele nicht leicht zu verkraften ist und sich einige doch zurückziehen. Auf der einen Seite kann ich es verstehen, andererseits wünsche ich mir mehr Verständnis - gerade von denen, die Mama so gut kannten.

 Und natürlich das Radio. Obwohl in den Nachrichten oft schlimme Ereignisse verkündet werden, sind die Moderatoren stets heiter und gutgelaunt auf unserem Oldiesender. Schon morgens zum Frühstückmachen wird es eingeschaltet, und auf der Arbeit läuft es bis zum Abend. 

Manchmal werden dort Lieder gespielt, die mir die Tränen in die Augen treiben und die eigentlich gar nichts Trauriges an sich haben. "Sugarbaby" von Peter Kraus zum Beispiel. Ich höre dann immer Mama, wie sie fröhlich mitsingt. Und kann sie doch nicht mehr hören. Das bricht mir dann schier das Herz. Trotzdem: das Radio und der Sender sind wie alte Bekannte, die versuchen, mich aufzumuntern mit ihrer konstanten Happiness. Darum wäre mir etwas genommen, hätte ich das Radio nicht. Natürlich können wir auch reden, und doch sorgt es auch dafür, dass die Stille nicht unerträglich wird. Mama war diejenige, die viel geredet und immer ein Thema gefunden hat von uns vier, so dass es schon mal vorkommt, dass langes (aber nicht unangenehmes) Schweigen herrscht.

Abends haben wir kleine Rituale eingerichtet, mit denen wir es uns schön machen. Nach dem gemeinsamen Vesper (neu) kochen wir uns eine Tasse Tee mit Honig und suchen in der Mediathek Filme und Serien, die uns interessieren. Auf diese Weise haben wir "München Mord" entdeckt (das Papa vorher gemeinsam mit Mama geguckt hat), und sogar den "Ur"-Alten Siegfried Lowitz aus den 1970er Jahren. Erstaunlicherweise wirkt er nur wenig angestaubt und ist ein spannendes Zeitdokument. Damals waren die Autos echt noch schöner als heute! 

Im Lauf des Films holen wir eine Flasche Wein, von der wir zu dritt ein oder zwei Gläschen leeren. Vorher oder dazu gibt es einen Sahnepudding, Orangen oder Schokolade. Nicht unbedingt gesund, und ich weiß, unter normalen Umständen würde Mama dafür schelmisch rügend mit dem Finger wackeln. Aber sie versteht es bestimmt, wenn wir uns damit ein wenig trösten. Nichts und niemand kann sie ersetzen. Dennoch ist der Abend für mich derzeit der beste Tröster. Denn da ist man ein bisschen abgelenkt durch Film und mein leckeres Toffifee, oder durch das PC-Spiel "Homescapes" mit dem Butler Austin, das Nicole und ich seit bereits fünf (!) Jahren mehr oder weniger regelmäßig spielen. Auch das tut ein bisschen weh, denn Mama hat sich ebenfalls mit Austin beschäftigt und ihn gut gekannt. Eine Zeitlang haben wir daher das Tablet nicht mehr eingeschaltet.


Als Austin noch "neu" war. September 2019.


Wir hatten eine so innige, schöne und kostbare Zeit zusammen, für die man nur dankbar sein kann. Sie war dennoch viel zu kurz, und niemand von uns hat damit gerechnet. Vielleicht macht es das nochmal schwerer. Alles kam so unerwartet. So geballt und mit plötzlicher Wucht. 

Ja, Mama ging es schon einige Zeit nicht allzu gut, und trotzdem haben wir anscheinend den Ernst der Lage unterschätzt; fühlten wir uns doch sicher und geborgen mit Gott, der uns schon durch einige Krisen getragen hat. Obwohl er es diesmal nicht tat, ist er der größte Tröster in dieser immer noch surrealen Situation. Hoffentlich gibt er uns Frieden und ein Stück Normalität, das uns ohne Mama einfach entsetzlich fehlt. Vielleicht heilen er und die Zeit doch Wunden. Langsam, aber vielleicht... vielleicht darf man hoffen. Der nahende Frühling und das sonnige Wetter sind jedenfalls keine Stimmungsaufheller, wie fälschlicherweise oft suggeriert wird.



Donnerstag, 29. Februar 2024

Signierte Hardcover-Ausgaben von "Shalom Mamele"

Mein persönlichstes Buch gibt es in drei verschiedenen Formaten auf Amazon. Das schönste ist meiner Ansicht nach das Hardcover. Es ist griffig und sieht irgendwie besonders wertvoll aus. Durch die farbigen Abbildungen (es gibt auch Schwarzweißfotos im Buch, doch der farbige Teil war mir wichtig) ist es mit € 25,95 nicht gerade ein Schnäppchen, aber dafür hat man eine wirklich außergewöhnliche Lektüre, die anrührt und auch zum Nachdenken anregt. Im Schlussteil findet man sogar ein Süßspeisenrezept aus Mamas umfangreicher Koch- und Backsammlung.

 


Unsere Geschichte bzw. Mamas ist keineswegs "banal", wie in zwei Rezensionen auf Amazon behauptet wird. Der Rezensent beider Texte ist mir bekannt, daher hat mich seine Kritik wenig getroffen, die er sofort auf gleich zwei Konten kundgetan hat - in Worten, die unter die Gürtellinie gehen. Vor allem, wenn man bedenkt, vor welchem Hintergrund ich dieses Buch verfasst habe. Aber sei's drum. 

Mittlerweile überwiegen die guten Bewertungen von "Shalom Mamele", denn meine Leser haben in der Regel kein Herz aus Stein. Außerdem kann ich in aller Bescheidenheit sagen, dass es auch vom Layout gut gelungen ist. Das Feedback, das ich erhalte, sagt mir ebenfalls, dass es richtig und auch wichtig war, meine doch sehr persönlichen Erinnerungen mit Mama zu veröffentlichen. Ich weiß, dass auch sie selbst sich darüber freut bzw. mich ermutigen würde, das Buch zu bewerben. Was spräche dagegen, es in einer Buchhandlung auszulegen? Eine Buchhändlerin jedenfalls sagte mir, es sei das schönste und liebevollste Buch, das sie seit langem gelesen hat. Nach dem Gespräch waren wir per Du, weil sie das Gefühl hatte, mich zu gut zu kennen, um mich zu siezen... vielleicht tut sich in der Richtung ja noch etwas; es würde mich sehr freuen, mal ein Buch von mir irgendwo ausliegen zu sehen.


 

Eine Freundin von Mama meinte, man sieht schon allein auf den ausgewählten Bildern, was für eine besondere Frau sie war. Ich füge immer im Stillen ein korrigierendes "Ist" hinzu, denn in der Vergangenheitsform von Mama zu reden, schmerzt sehr. Zumal sie ja immer noch da ist, wenn auch nicht sichtbar.

Das Hardcover könnt ihr auch über mich beziehen, auf Wunsch mit Signatur und Widmung. 

Und natürlich freue ich mich über Kommentare hier auf meinem Blog, Diskussionen, Reaktionen und weitere Rezensionen auf Amazon



Dienstag, 23. Januar 2024

Shalom Mamele. Königskinder sterben nicht. Sie gehen nach Hause.

Nie hätte ich gedacht, dass ich ein Buch wie dieses schreiben und veröffentlichen würde. Und nun, da ich's gewagt habe, bedauere ich, es nicht schon früher in Angriff genommen zu haben. Mama hätte so viel Freude gehabt, mir ihre Geschichte noch ausführlicher zu erzählen, und sie wäre so stolz auf ihre Tochter gewesen. Das ist sie sicherlich auch so, doch ich habe keinen sichtbaren Anteil mehr an ihrer Freude. Die Veröffentlichung hätte sie groß gefeiert. "Wir feiern viel zu selten", meinte sie oft.

 


 

Entstanden ist mein neues und persönlichstes Buch eher als eine Art Therapieprojekt. Auf Facebook bekam ich zum Teil sehr nette und verständnisvolle PNs bezüglich meiner Trauer. In vielen davon - wie auch in Kommentaren zu Beiträgen - riet man mir, unsere Geschichte als Familie aufzuschreiben. Ich war sehr skeptisch. Zum einen, weil ich dachte, es ginge nur um die unselige Krankenhausgeschichte, zum anderen, weil ich mir das nicht zutraute, ohne emotional zu zerbrechen. 

Doch erstaunlicherweise war das Gegenteil der Fall, nachdem ich mich an Mamas Rechner in ihrem schönen kleinen Arbeitszimmer setzte, in dem ich von ihren wunderschönen, farbenfrohen Bildern und Visionboards umgeben bin, um die ersten Zeilen über die Anfänge meiner Eltern zu tippen. Es ging richtig leicht und beschwingt, und häufig habe ich meine Trauer vergessen. Hin und wieder flossen Tränen, wenn mich eine Erinnerung besonders berührt hat. Aber das war ok. Es ist halt schade, dass ich diese Erinnerungen nicht mehr mit Mama teilen kann.

Wir haben so viel erlebt als Familie; viel mehr, als ich vermutet hatte. Und wir waren wirklich eine außergewöhnliche Kombination, wir vier. Unschlagbar. Das wurde mir beim Schreiben wieder bewusst. Wie viel Glück und Segen darauf lag und liegt, dass wir uns so gut verstehen und uns in Liebe begegnet sind. Unsere Krisen hatten wir selbstverständlich auch, doch wir haben sie immer gut gemeistert - bis auf die letzte. Auf die habe ich weitgehend verzichtet im Buch, denn es soll ein aufbauendes, Mut machendes Werk sein. Auch für Menschen, die durch diesselbe Phase im Leben laufen wie wir und die Welt nicht mehr verstehen. Es gibt da nichts zu verstehen. Erst im Himmel werden uns die Augen geöffnet, das ist sicher. Genauso sicher, wie Mama jetzt weiß, warum alles so sein musste. 



Die reich bebilderte Familienchronik ist auch eine Erinnerung und ein Geschenk für die vielen Gefährten, die im Lauf der Jahre ein Stück des Weges mit uns - und vor allem mit Mama als kommunikativstes Familienmitglied - gegangen sind. Viele sind darin erwähnt (ohne Nachnamen, und immer im Guten). Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich alle waren: verschiedene Nationen, Alter, Geschlecht und kulturelle Herkunft. Mama hat nie Unterschiede gemacht. Jeder, der in unser Haus kam, war in erster Linie Mensch mit einer eigenen Geschichte, die es wert ist, angehört zu werden. Das hat mir immer sehr imponiert, wie vieles mehr an Mama. 

Jeder Mensch ist einzigartig, aber eine Frau wie Mama wird es im Ansatz hier auf Erden nicht mehr geben. Ihre Herzlichkeit und verschmitzte Fröhlichkeit, ihr Optimismus und ihr helles, heraussprudelndes Lachen, all das hatte nur sie. Obwohl sie es nicht immer leicht hatte im Leben, hat sie so viel bewirkt. Ich finde es deshalb legitim, dass sie als "Nicht-Promi" eine Biografie in Buchform erhält, die vielleicht auch Menschen, die sie nicht persönlich kannten, Mut gibt. Das fände sie schön, denn eine Ermutigerin ist sie immer gewesen.

Hier geht's zur Bestellung des Ebooks: *Klick*


 



Samstag, 6. Januar 2024

"Menschengeschichten" von Hans Joachim Gelberg / Beltz & Gelberg

  Nachdem mir die 1972er Anthopologie "Geh und spiel mit dem Riesen" schon so gut gefallen hatte, wurde ich auf die beiden Folgebände aufmerksam, für die im Buch hinten geworben wurde. Eines der beiden habe ich nun über Booklooker erstanden. Es heißt "Menschengeschichten" und ist - so scheint es - eigens für mich geschrieben worden. Darum ist es kein Zufall, dass ich auf dem Foto das Covergirl abklatsche. Allein ihre (spekulative) Geschichte im Vorwort des Herausgebers hat mich nachdenklich-nostalgisch gestimmt. Und ganz unter uns, ich bin doch eh so eine. So eine hoffnungslose Nostalgikerin.

 

Volltreffer!

Obwohl ich erst angefangen habe mit dem Lesen, weiß ich jetzt schon, dass diese meine Lieblingsanthologie sein wird von den dreien, die ich bisher gesehen habe. Herrlich schräg die Geschichten, originell, witzig und vor allem nostalgisch und manchmal traurig. Man macht sich Gedanken in diesem Buch, die sich jeder einmal macht, die aber irgendwie zu unwichtig sind, um ihnen weiter Beachtung zu schenken oder sie weiterzuverfolgen. Gedanken über Erfahrungen, Zeit und Raum, über die Welt von Kindern und Erwachsenen und wie sie leben, aber vor allem über Menschen allgemein. 

Sehr gefallen hat mir ein Fotovergleich in dem der Fotograf 1945 eine Gruppe Leute ablichtete und dreißig Jahre später per Annonce dieselben Leute dazu aufrief, sich am selben Ort wieder fotografieren zu lassen. Das war unheimlich interessant, denn es waren nur wenige, die dem Ruf nicht folgten oder nicht kommen konnten. Selbst die Namen der Personen und ihre Beziehungen untereinander (sofern vorhanden) wurden festgehalten.

Apropos: viele alte Fotografien beinhaltet dieses Kleinod, oft als eine Art Lebenslauf. Für mich ein gefundenes Fressen. Ich liebe es, mich mit alten Dingen zu befassen, mich zu fragen, welche Geschichte in diesem Gegenstand oder jener Person steckt. Heute kurios anmutende Traueranzeigen von 1899, Hochzeitsbekanntgebungen und die Bedeutung von Parkbänken, all das wird neben vielem anderen unter die Lupe genommen. Irgendwie ist "Menschengeschichten" auch eine Sammlung über die Vergänglichkeit und den Wandel der Zeit, der schon immer spürbar war. Die auf den ersten Blick sinnlosen, aber durchaus reizvollen Geschichten wie im Vorgänger gibt es natürlich auch, etwa die Geschichte vom Mann, der sich durch die Parkprinzessin in einen Storch verwandelte.

Und als kleines Goodie und wie als Bonusmaterial, das die Theamtik unterstreicht, findet man in meiner gebraucht gekauften Ausgabe noch jede Menge gepresster Blumen. Das finde ich sehr charmant, weil auch eine Art Zeitdokument (wer trocknet und presst heute noch Blumen, um sie anschließend in Fotoalben oder Tagebücher - vorausgesetzt, man fotografiert und schreibt noch analog -  zu kleben? Viel zu aufwendig!). 


Vorwort mit Blume

 

Mit über 330 Seiten ist "Menschengeschichten" noch etwas umfangreicher als "Geh und spiel mit dem Riesen." Das freut mich sehr, denn der erste Band war recht schnell gelesen, auch wenn mein Tempo derzeit einer Schnecke zur Ehre gereicht. 

Wie schön, dass es diese Bücher noch gibt und man sie relativ preisgünstig auf Onlineplattformen erwerben kann. Tatsächlich scheint eine ganze Reihe davon erschienen zu sein, die sich "Kinderjahrbuch" nennen dürfen.

Für mich sind diese Anthologien eine echte Entdeckung, die ich selbst Kindern von heute noch ans Herz lege. Vielleicht wirkt die Sprache etwas altmodisch und sperrig, und einiges ist nicht mehr zeitgemäß. Aber gerade das macht den besonderen Reiz aus, zeigt es doch, dass jedes von Menschenhand erschaffene Werk vergänglich und irgendwann auch vergessen ist. Ich konnte zum Beispiel nichts mit Wolfdietrich Schnurres Erinnerungen an seinen Kittel anfangen, der zwar schrecklich und kratzig war, aber eine Bauchtasche vorne hatte, die für seinen Träger das Allerheiligste war und auch vom Rest der Freunde und Familie als solches nicht angerührt wurde. So nahm Herr Schnurre seine Kindheitschätze mit ins Erwachsenenalter. Ich mag solche Geschichten. Klein, fast banal aber bei näherer Betrachtung doch bedeutend und anrührend.

 

 

Wer ebenfalls wie ich nostalgisch angehaucht ist und sich gern mit der Vergangenheit befasst, in der es ihn / sie noch nicht gab - oder einfach mal neugierig ist auf die ungewöhnliche Aufmachung und die Geschichten in diesem Buch, der kann auf verschiedenen Plattformen danach stöbern. Es gibt es auch als handliche Taschenbuchausgabe, aber ich finde, man muss es als großes Hardcover besitzen und genießen. Bei Amazon gibt es derzeit nur die Taschenbuchausgaben, daher empfehle ich, auf Plattformen wie Booklooker danach zu suchen. Es lohnt sich! Als Familienlesebuch ist "Menschengeschichten" nämlich hervorragend geeignet und bietet eine Menge Diskussionsstoff.



Donnerstag, 4. Januar 2024

Danke, Mama!

Folgend nach dem ersten Bild und ein paar wehmütigen Zeilen ein Gedicht für meine Mama, die letztes Jahr in den Himmel ging und an die ich mit großer Zärtlichkeit und Liebe denke. Es ist ein bisschen holprig, aber von Herzen geschrieben.

Obwohl es jetzt schon fast vier Monate her ist, kann ich nicht begreifen, warum sie so früh gehen musste. Meine Tage sind trüb, nicht nur durchs Wetter. Sie war ein wichtiger Teil in meinem Leben, eine Konstante der Positivität und Freude auch in schweren Zeiten. Viele der Kommtare auf meinem Blog stammen von ihr. Immer freudig, immer begeistert. Irgendwann schickte sie sie anonym ab, weil sie dachte, es sei peinlich, wenn die Mama kommentiert. Ach, Mamele, überhaupt nicht. Im Gegenteil. 

Sie selbst sprach immer von der Fülle, die Gott für uns bereithält. Ich glaube, die hat sie jetzt. Nein, ich bin ganz sicher. 

Es macht mich zusätzlich traurig, dass durch das Missverstehen meiner Trauer ein paar Bekanntschaften und Kontakte in die Brüche gingen. Das war bestimmt nicht beabsichtigt. Mir ist es selbst arg, dass es sehr lange dauert, in den Alltag und die "Normalität" zurückzufinden, die es ohne meine Mama nicht mehr geben wird. Beides muss neu gestaltet und strukturiert werden. Das braucht Zeit. 


 

💖 Für mein Mamele 💖

Du warst immer für mich da, als Freundin, Mama und Ratgeber, das ist wunderbar. Ich hatte es nicht leicht am Start, Du wusstest es, der Chefarzt nicht, das war natürlich hart. Entmutigen ließt Du dich nicht, und führtest mich alsbald zum Licht. 

Ich lernte Leben, Lieben, Lachen, alles mit Dir, Du ließt mich machen.

Du lehrtest mich, mich selber sein, auch wenn der Weg ging über Stock und Stein. Er lohnte sich, denn all' die Mühe ward belohnt mit Liebe, Freude und dem eigenen Sein. 

Das war nicht immer leicht, doch Trost kam von dir und deiner Art, die alle stets ermuntert hat. Aufgeben war nie eine Option, ganz egal wie sie aussah, die Situation.


 

Du hast ein Herz für jeden, groß und klein, für Mensch und Tier bist du ein Sonnenschein. Dein Glaube hat uns angesteckt - ans Leben, Liebe und an Gott, der alles lenkt und an uns denkt. Daran halten wir uns fest, selbst wenn die Zuversicht uns mal verlässt. 

Ohne Dich scheint alles schwer, und manchmal hab' ich keine Hoffnung mehr. Doch weiß ich, du wärst darüber traurig, darum versuche ich, auch wenn es schaurig, nach vorn zu blicken, so wie Du es tust, aus freien Stücken. 

So stolz warst du auf deine Familie, und sollst es weiter sein, auf deiner Himmelsbühne. Ich denke oft, wie wird unser Wiedersehen wohl sein. Ob du mich abholst und mir alles zeigst. Wie auf Erden könnt's ja auch im Himmel werden. Dagegen wär' nichts einzuwenden, denn ich wüsst' mich in den besten Händen.


 

Ein Schutzengel, das bist du nicht, ich denk' das stünd' dir nicht besonders zu Gesicht. Du bist ein höherer, ganz nah bei Jesus, und lachst und tanzt wie Krösus. Denn Freude ist deine Natur, die dort oben noch größer ist, I'm sure.

Ich hoffe, du vermisst uns nicht. Vielleicht bist du am Singen, Tanzen und hast Spaß, und siehst uns gelegentlich winzig wie durch Glas. Wenn wir dann trauern, sei nicht bang, der Weg scheint uns halt doch recht lang. Wir kommen zurecht, es geht ganz gut, auch wenn du uns fehlst - und manchmal der Mut. Den hast du uns immer gegeben, so wie mir das Gefühl, die schönste Kindheit zu leben.

Nun "bin ich erwachsen", wie jemand mir sagte. Nicht dass ich darüber klagte. Doch hab' ich mir das anders vorgestellt, und wer es mir vorwirft, der möge verzeihn wenn ich sage: "Eine Mama wie du, die gibt's nicht alle Tage".



Ich liebe dich, Mama! Du fehlst uns allen so sehr. Wenn wir wieder zusammensind, mit den Katzen, den Menschen, die wir lieben und Jesus, dann feiern wir ein großes Fest. Und wenn man den Büchern glauben darf, dann ist es für dich ja nur ein Wimpernschlag bis dahin.


Sonntag, 31. Dezember 2023

Jahresrückblick & Veränderung. Jeder spricht davon, doch leicht und lustig ist beides nicht immer...

 ... Naja, dass sie leicht und lustig sind, hat auch niemand behauptet. Aber überall kann man lesen und hören, wie wichtig gerade Veränderung ist. Veränderung deines Alltags, deines Berufes, deiner Einstellung. Unbestritten ist es oft notwendig und auch befreiend, den Blickwinkel zu wechseln und Veränderungen zu leben, wenn man sie erst mal gewagt hat. Doch eine Frage muss erlaubt sein. Was ist so schlimm an Routine, wenn sie dich glücklich macht?

Durch Mamas Heimgang im Herbst diesen Jahres hat sich bei mir viel geändert. Veränderungen, auf die ich gern verzichtet hätte. Als Familie waren wir eine Einheit, ein Team, das sich sowohl im Beruflichen als auch im Privaten ergänzt hat. 

Mama mit ihren Visionen und Ideen, ihrem Enthusiasmus, ihrer Liebe zu Menschen und Gottes Schöpfung allgemein. Ihre Begeisterung für den Glauben und einen gesunden Lebensstil abseits von Ärzten und Schulmedizin hat den Rest der Familie angesteckt und inspiriert. Und Papa als Praktiker, als jemand, der ihre bzw. unsere verrückten Einfälle realisierbar gemacht hat.

 

Mein geliebtes vielseitiges Mamele

Gewohnt haben wir seit 2005 nebeneinander, nachdem ich die ersten "wilden" Jahre in einer Mansarde in der Südstadt verbracht habe. Das Grundstück, auf dem mein Haus steht, wurde getauscht, so dass es uns gehörte. Was lag näher, als unser Traumhaus zu bauen, direkt neben der Wohnung der Eltern? In erster Linie hatte der Hausbau praktische Gründe, und ganz ehrlich - am Anfang war ich nicht besonders glücklich darüber. Im Lauf der Zeit aber doch. Es war erstens nicht weit bis zur Arbeit, und zweitens war immer jemand da, der beide Häuser im Auge behalten konnte oder auf die Haustiere aufpasste, wenn eine der beiden Parteien ausgeflogen war, zum Kurzurlaub oder Seminaren. Ein bisschen haben wir auch in die Zukunft geschaut: wenn jemand von uns Hilfe brauchen würde, z.B. bei Krankheit, wäre immer jemand aus der Familie da. Wir waren froh um den großen Platz, den wir hatten, und fühlten uns von Gott begünstigt und gesegnet. Auch durch unser Anwesen, das für jeden offenstand. Freiheit und Rückzugsmöglichkeiten gab es dennoch mehr als genug.

Seit Mai dieses Jahres hat sich alles geändert. Wir Kinder sind nach drüben gezogen, um unsere Eltern zu unterstützen. Die Nächte wurden schwierig und anstrengend, und die Tage waren nicht viel leichter. Wir hielten durch im festen Glauben, dass Gott meine Mama bald wieder gesund macht. Leider hat er sie auf andere Weise geheilt, auf eine, die uns Menschen nicht so behagt, vor allem den Hinterbliebenen nicht.


Ein Blick in die elterliche Wohnung

Wir wohnen seitdem permanent bei Papa, der mit Haushalt, Kochen und Putzen überfordert wäre und es nicht gewohnt ist, alleine zu sein. Fast sechzig Jahre hat sich Mama um die "Hausfrauenpflichten" gekümmert, während Papa der Experte für "Männersachen" war wie Handwerken, Reparieren, Geschäftsführung und Steuererklärungen. Er betont häufig, wie froh er ist, dass wir da sind. Und ich bin es auch. Denn die Wohnung ist riesig und gerade abends durch den ehemaligen Laden im Erdgeschoss ein bisschen unheimlich. Der Vorteil ist, dass sie den Katzen viel Platz zum Spielen und Erkunden bietet; mehr als in unserem Haus nebenan. Sie rasen, klettern und toben durchs Haus und entdecken immer neue Geheimgänge. Sicher spannend für ein Katzerl, das gezwungenermaßen keinen Freigang hat. 

Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. Will auch gar nicht planen oder mir Gedanken machen müssen. Was zum Beispiel geschieht mit unserer seit Mai leerstehenden Wohnung? Vermieten wäre das Nächstliegende, doch wir scheuen uns davor. Interessenten gäbe es mehr als genug. Die Wohnung ist toll für zwei bis drei Personen und zentral gelegen. Aber so individuell, dass es uns schwerfallen würde, sie abzugeben. Wie die elterliche Wohnung ist auch unser Haus von der Familie architektonisch geplant und nach der eigenen Vorstellung erbaut. Einge Möbel und Besonderheiten haben Nerven gekostet, doch umso stolzer sind wir auf unsere freistehende Badewanne auf Löwentatzen und die Toilette mit altmodischer Kettenspülung. Sie jemand anderem zu überlassen, wäre hart. Auch wenn ich gelernt habe, mein Herz nicht zu sehr an materielle Güter zu hängen.


Abends beim Wein und Papa daheim.

Ein bisschen habe ich mich trotzdem mit dem Gedanken angefreundet, umzuziehen ins Elternhaus. 

Unsere Trauer wird irgendwann hoffentlich nicht mehr so groß sein. Momentan tröstet es mich jedoch, hierzusein, auch um Papas wegen. Er hält sich sehr tapfer und ist wohl der einzige, der uns oft ein bisschen Mut macht. Dabei weiß ich, dass er Mama mindestens so sehr vermisst wie meine Schwester und ich. Wahrscheinlich mehr. Sie waren ein Herz und eine Seele, zwei, die sich gefunden hatten und nie länger als ein paar Wochen getrennt voneinander waren. Die gemeinsame Interessen haben - mehr noch als wir vier zusammen. Allein das abendliche Fernsehprogramm, bei dem man sie oft herzhaft miteinander lachen gehört hat, ist anders als das, was ich anschauen würde. Aber wir nähern uns ein bisschen an, woran man merkt, dass der Altersunterschied nicht entscheidend ist zwischen den Generationen. Alles Geschmack- und Gewöhnungssache. "Schlagerspaß mit Andy Borg" und Kabarett finde ich mittlerweile recht amüsant und unterhaltsam, vor allem Heinrich del Core und Jürgen Beckers. Nur bei "Hannes und der Bürgermeister" verstehe ich höchstens die Hälfte und kann selten über die Witze lachen. Vielleicht kommt das aber auch noch...

Die Abende empfinde ich gerade als am schönsten. Wir trinken Wein und essen Orangen oder Pudding und Toffifee und Schokolade. Ein paar kulinarische Trösterchen müssen gerade sein. Geschlemmt haben wir nicht über Weihnachten, und auch heute an Silvester bleibt die Küche vermutlich kalt.

 

 Dattel im Speckmantel ist schon weg!

Raclette ist mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden, und Ausgehen eher unter der Woche dran. Bei der Gelegenheit haben wir Tapas in "Hector's Bar" wiederentdeckt. Sehr lecker waren die, egal, was wir kommen ließen. Ich glaube, ein weiterer Besuch ist der einzige Neujahrsvorsatz zusammen mit dem, dass wir uns für 2024 Frieden über Mamas Geschichte im Krankenhaus wünschen, die so unglücklich verlief, dass wir nun doch einen Brief für die Klinikleitung aufgesetzt haben, der unsere Eindrücke während dieser fünf Wochen schildert, fernab davon, eine Schuldzuweisung zu sein. Vielleicht ändert sich auch da etwas - zum Positiven für die Patienten. Das wäre eine Entwicklung, die sehr zu begrüßen ist.

Ich wünsche euch von ganzem Herzen Glück, Gesundheit und Zufriedenheit für 2024. Rutscht gut rein und habt nur schöne Veränderungen, die auf den ersten Blick vielleicht herausfordernd sind, euch aber stärker machen! 💪💓🙏


Montag, 18. Dezember 2023

Gewinnspiel / Buchverlosung "Das Bildnis des Grafen"

Bis zum 23. Dezember verlose ich ein Restexemplar des "Grafen", das den jungen Mann von hinten vor der Moorlandschaft zeigt. Mir persönlich gefällt dieses Cover am besten, doch für die Neuauflagen wurden andere gewählt. Diese Ausgabe ist nun also nicht mehr erhältlich. 



Die Teilnahmebedingungen sind folgende: Schreibt mir, was euch zum Thema Erster Weltkrieg einfällt, der ja die Hintergrundstory des Romans bildet. Da der WW1 nun doch schon ein Weilchen her ist, könnt ihr natürlich nicht aus eigener Erfahrung schreiben. Ich bin daher auch mit genannten Büchern oder Filmen zufrieden. Da gibt es doch so einige.

Vielleicht - und das wäre schön - habt ihr aber auch Familiengeschichten aus dieser Zeit, die überdauert haben, die ihr mir gern schildern dürft. Ich persönlich habe meinen Uropa im Ersten Weltkrieg verloren - er fiel vermutlich in Verdun und kehrte nie zurück. Für meine Oma war das zeitlebens fast traumatisch, da sie ihn sehr geliebt hat, so klein wie sie war. 

Es ranken sich jedoch auch allgemeine und herzerwärmende Geschichten um den Ersten Weltkrieg - etwa das gemeinsame Weihnachtsfest von Feinden in den Schützengräben. Auch dazu gibt es meines Wissens nach einen Film. 

Ich bin jedenfalls gespannt auf eure Kommentare und Antworten. Am besten schreibt ihr sie mir auf meine Autorenseite, doch ihr könnt auch hier den Kommentarbereich nutzen, wenn ihr nicht bei Facebook seid. 

Eure Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Am 23. Dezember wird der Gewinner ermittelt.

Viel Glück allen Teilnehmern! 🍀🍀🍀


Dienstag, 12. Dezember 2023

"Geh und spiel mit dem Riesen" von Hans Joachim Gelberg / Beltz & Gelberg

Mit dem Lesen ist es derzeit nicht weit her bei mir. Alle Aktivitäten, die Konzentration erfordern, fallen mir unglaublich schwer. Ich hätte nicht gedacht, dass es eine Traurigkeit gibt, die weit über das hinausgeht, was ich bisher erfahren habe. Ich hoffe, dass dieser Zustand sich bald bessert und meine gewohnte Tagesenergie zurückkehrt. Auch das fällt mir auf: mein Akku ist recht schnell leer; meist kurz nach dem Mittagessen. Danach wird es zunehmend anstrengender, Dinge zu erledigen wie Einkauf, Haushalt, Arbeit. Jeder Tag gleicht mehr oder weniger dem anderen, und ich bin froh, wenn ich abends die Brille aufsetzen und die Beine von mir strecken kann.

 

 

Umso stolzer bin ich auf mich, dass ich es geschafft habe, den alljährlichen Weihnachtsflohmarkt zu besuchen und dort einen Keramik-Knoblauchtopf und zwei Bücher erstanden habe. Eines davon ist "Geh und spiel mit dem Riesen". Eine echt kuriose und fast anarchistisch anmutende Sammlung von Kurzgeschichten, geschrieben von damals noch jungen Autoren wie Michael Ende, Ilse Kleberger und Otfried Preußler, die als erstes Buch mit dem Kinderliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Meines ist tatsächlich die Originalausgabe von 1972, und dafür noch prima in Schuss, sieht man von einzelnen Stockflecken und zerbröselnden Herbstblättern als Lesezeichen mal ab. 

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten und "WTF?!"-Momenten gefällt mir die Anthologie nun richtig gut. Jeden Abend lese ich bis zu drei Geschichten und bin erstaunt, wie zeitlos und manchmal modern sie sind. Meist albern zwar, da die Autoren und Autorinnen einfach schreiben sollten, was ihnen in den Kopf kam, ohne pädagogischen Lehrauftrag. Aber gerade darin liegt der Reiz und irgendwie auch der tiefere Sinn. 

Meine Lieblingsgeschichten bisher sind die Titelgeschichte, die von dem kleinen Josef und seinem Traum handelt (nicht der biblische Josef), "Macht nichts" von Michael Ende, der ein riesiges, einsilbiges Kind trifft, das ihn am Ende Kopf und Kragen kostet, und so einige Comics und Fotogeschichten. Letztere finde ich besonders als Zeitdokument interessant. Ich habe aber zugegebenermaßen auch eine kleine Schwäche für die 1970er Jahre... damals gab es natürlich noch keine political correctness, und so bin ich doch ein paar Mal über heute verpönte Begriffe wie "Neger" und "Zigeuner" gestoßen. Gestört haben sie mich nicht, zumal sie in keinem beleidigenden Kontext verwendet wurden, sondern tatsächlich eher Bewunderung ausdrücken.

 

 

Überhaupt war die Zeit vor fünfzig Jahren noch weniger kompliziert, vielleicht sogar naiv; so will es mir zumindest scheinen. Immerhin - von Computern für den Hausgebrauch bzw. das Büro ist schon die Rede. Und vom überarbeiteten Buchhalter Herr Brümmel, der selbst im Privatleben nur noch Zahlen sieht und feststellt, dass sich etwas ändern muss, wenn er noch Freude im Leben haben will. Darum streicht er sein Büro rebellischrot an und feiert seinen Geburtstag, um die kleinen Dinge endlich zu würdigen, die ihm bis dato entgangen waren vor lauter Arbeit. Das mochte ich auch sehr. Und die Zeichnung von Herrn Brümmel hat mich ein bisschen an "unseren" Herr Trapp erinnert. Obwohl der Lehrer werden wollte und nie gearbeitet hat...

Auf seine eigenwillige Art ist "Geh und spiel mit dem Riesen" sicherlich ein Kinderbuchklassiker. Wenn schon nicht inhaltlich, so hat den Titel wahrscheinlich jeder Buchaffine schon gehört. Für heutige Verhältnisse ist das Buch vermutlich ein wenig zu kafkaesk, sprich bizarr und anarchisch, denn verglichen mit Neuerscheinungen für Jugendliche hat es etwas Wildes, Unberechenbares. Zum Nachdenken regt es trotzdem oder gerade deshalb an. 

Ältere, nostalgische Kinder wie ich haben jedenfalls ihren Spaß daran. Viele Bücher, die ich auf jenem Flohmarkt gekauft habe, gebe ich weiter, weil sie entweder nicht meinem Geschmack entsprachen oder ich genau weiß, dass ich sie nicht mehr zur Hand nehmen werde - dieses hier gehört nicht dazu. Größe und Haptik finde ich übrigens auch sehr ansprechend. Ein weiterer Pluspunkt ist der orangefarbene Einband, ein Markenzeichen von Beltz & Gelberg. Ich weiß gar nicht, ob es den Verlag noch gibt, habe jedoch auch noch ein Kinderbuch von Erwin Moser in jenem charakteristischen Einband. Vielleicht sollte ich mir die Abenteuer von Mehli dem Mehlkäfer mal wieder zu Gemüte führen. Ich habe es geliebt. Und Ameise Melonko.

 

Sonntag, 10. Dezember 2023

Neuauflage: "Das Bildnis des Grafen"

Auch wenn mir momentan aufgrund meiner Trauer nicht danach ist, die Werbetrommel zu rühren, bin ich doch sehr glücklich über die gelungene Neuauflage meines Debütromans. Im letzten Artikel habe ich auf eine Aktion aufmerksam gemacht, über die die "alten" Ausgaben von "Das Bildnis des Grafen" zu Sonderpreisen verkauft wurden. Das Printbuch ist mittlerweile nur noch begrenzt vorrätig, denn genau wie das Ebook erstrahlt der Graf nun in neuem Glanz.

 


Zu verdanken ist das meiner lieben Kollegin Sonja Ziehr, die sich neben dem Schreiben auch mit ansprechender Covergestaltung befasst und sie anbietet. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön für deine Ideen und Tipps! Die Schrift gefällt mir megagut, und das gespenstische Haus könnte Valentines Versteck im Garten sein, in dem ihm Carrick begegnet - Escaray Hall selbst ist nämlich ein ziemlich weitläufiges Anwesen. 😉 

Neben der neuen Version des Covers wurde auch ein bisschen an den Preisen geschraubt. "Das Bildnis des Grafen" kann mit Kindle Unlimited kostenfrei gelesen oder zu € 2,99 als Download angefordert werden. Für einen über 500 Seiten starken Wälzer ein bescheidener Einsatz. 

Natürlich gibt es für altmodische Leser wie mich auch die Druckedition, die ein anderes Cover hat, das hoffentlich ebenso attraktiv wirkt, wenn auch etwas monochrom durch die fehlende Farbe - leider war das Kleid fürs Ebook dem Printbuch um einige Nummern zu klein, so dass ich mich für ein Panoramabild entschieden habe, das dem Ebook optisch recht nahe kommt, denn auch hier sieht man ein Spukhaus in einer Mondnacht. Folgend die Rückseite mit Klappentext:



Nachdem meine letzte Aktion leider nicht besonders gut gelaufen ist und auch das Jahr 2023 gelinge gesagt bescheiden war für mich, hoffe ich nun, mehr Leser/innen zu erreichen. Denn nach all dem, was ich durchgemacht und auch keinen Grund habe, Weihnachten und Silvester zu feiern (nicht, dass mir an letzterem viel läge), wäre es das größte Geschenk für mich zu sehen, dass Interesse an einer kriminalistischen Gruselgeschichte besteht, die in dieser Form wohl noch nicht niedergeschrieben wurde.

 Erst neulich besuchte mich die Frau des besten Freundes von Papa, die das Buch gelesen hatte und sich mit mir darüber austauschen wollte (Glücksmoment!). Unter anderem fragte sie mich ganz erstaunt, wie man denn auf so ein Thema käme, denn das wäre so besonders ungewöhnlich und dennoch gut recherchiert. Das Ende mochte sie besonders, das sie vor Spannung nicht abwarten konnte und daher fast die ganze Nacht hindurch gelesen hat. Da hüpft das Autorenherz vor Freude. Und ganz ehrlich: Es widerstrebt mir selbst, Persönliches oder gar Selbstmitleid in Werbung unterzubringen. Aber ich soll ein bisschen nett zu mir sein und an mich denken, wenn es mir schlecht geht; das habe ich vom Trauerratgeber gelernt, und es tut mir wirklich gut. Bis ich mich von Mamas tragischem Verlust erholt habe, geht sicherlich noch eine lange Zeit ins Land. 

 


Der Verkauf meiner Bücher wäre ein Trostpflaster. In das Ebook könnt ihr selbstverständlich kostenfrei reinschnuppern. Ich bin gern bereit, mich mit meinen Lesern über die Geschichte auszutauschen und auch eine Online-Leserunde auf einem Bücherform zu begleiten, was mir immer viel Spaß gemacht hat, solange ich noch ein Forenleben hatte. Auch als Geschenk eignet sich der Roman gut - besonders für jene, die gern in eine Welt eintauchen, die zwar real, aber auch ein bisschen spooky ist. Und das passt doch ganz gut für Weihnachten. 

 

Samstag, 2. Dezember 2023

Adventsaktion: "Das Bildnis des Grafen", aber kein Jahresrückblick

 Traditionellerweise resümiere und philosophiere ich zu dieser Zeit des Jahres ein bisschen über das vergangene bzw. über den Sinn von Weihnachten. Dieses Jahr verzichte ich darauf. Alles ist so unglücklich und schmerzlich für mich und meine Familie gelaufen, dass mir Freude, Spaß und Heiterkeit unsagbar fern scheinen und man sich fragt, ob sie überhaupt je wiederkommen. 

 

Ich weine jeden Tag.


Weihnachten fällt daher auch flach. Mama hat immer den Adventskranz so toll aufgehübscht, mit einfachen Mitteln wie Tannenzweige und dem Arrangieren unserer bereits vorhandenen Weihnachtsdeko. Daran zu denken, macht traurig, denn es wird das erste Weihnachten ohne sie. Ich kann es nicht begreifen, warum sie uns so früh genommen wurde. Und dann habe ich das Gefühl, dass es sich nicht lohnt, Erwartungen und Wünsche zu haben, da sie doch nicht erfüllt werden. Mama hat so fest daran geglaubt, mit Hilfe ihres guten Hirten lebenssatt und alt zu werden. Sie war so überzeugt und auf ihre Weise auch so robust und vital, dass wir durch ihren Heimgang im September völlig durcheinander und fassungslos waren. Bis jetzt können wir es nicht verarbeiten, dass wir glauben, Gott hat uns im Stich gelassen. Denn es ist nicht nur der unersetzliche Verlust, sondern auch die Art, wie es dazu kam. Ob das je besser wird mit der Zeit und man nicht mehr ständig daran denken muss? Es kommt mir manchmal wie eine Strafe vor, doch ich weiß nicht, wofür. Verständnislosigkeit, Perspektivlosigkeit und Trauer sind momentan die vorherrschenden Empfindungen. Ein optimistisches Vorwärtspreschen ins Jahr 2024 ist deshalb gecancelt.



 Trotzdem möchte ich wie jedes Jahr an die phänomenale Bedeutung von Weihnachten erinnern, als Gott in Gestalt eines Menschen - als Baby in der Krippe in Bethlehem - auf die Erde kam und seitdem denen Rettung und ewiges Leben verspricht, die an ihn glauben und seine Botschaft weitererzählen. Mama hat das von ganzem Herzen getan und wurde dafür reich beschenkt von Ihm. Und das wiegt mehr als jedes Geschenk der Welt. Die gibt es dieses Jahr nämlich auch nicht. Keiner von uns ist in Stimmung, und merkwürdigerweise macht einem der Verlust eines geliebten Menschen aufs Neue klar, wie unwichtig materielle Güter sind. 

Für euch als meine Freunde, Fans und Follower habe ich dennoch ein Geschenk. Mein Roman "Das Bildnis des Grafen" wird derzeit als Ebook zu sagenhaften  € 2,99 angeboten, die 500 Seiten dicke Printausgabe für sensationelle € 5,55. 



Da heißt es zugreifen, am besten mehrfach für alle, die gern unheimliche Krimis aus vergangenen Zeiten lesen ("historisch" darf man ja nicht mehr sagen, wenn es ein fiktionales Werk ist... oder? 😜) Um die Aktion nutzen zu können, klickt auf den unten stehenden Link von Amazon und schwupps in den Warenkorb damit. Ihr würdet mir eine große Freude machen - die einzige, die ich dieses Jahr habe. 


Sonntag, 5. November 2023

Die Sache mit der Trauer...

 Auf der Suche danach, meinen Schmerz durch Mamas Verlust zu lindern, habe ich vor kurzem zwei Bücher gelesen (es fällt gerade schwer, das Lesen), nämlich "Dem Himmel auf der Spur" des Journalisten Lee Strobel und "Es ist okay, wenn du traurig bist" von der Psychologin Megan Devine. Eins vorweg: Geholfen haben beide Bücher nicht, aber das ist nicht schlimm. Es war gut, sie zu lesen, denn beide sind ungewöhnlich und mit neuen Erkenntnissen gefüllt, so dass sie mir ein Trost waren und ich einiges für mich daraus ziehen konnte.



Was mir beim Lesen des Ratgebers auffiel, war, dass die Sprüche, die Bekannte und Freunde von sich geben, um zu "trösten", häufig die gleichen sind. 

"Sei froh um die Zeit, die ihr hattet." (Antwort: Sie hätte doch noch nicht vorbeisein müssen!)

"Jetzt eröffnen sich neue Wege." (Antwort: Meine Wege waren gut, solange der geliebte Mensch da war. Sie müssten sich nicht ändern. Ich stecke jetzt mehr in einer Sackgasse als je zuvor.) 

"Alles hat seinen Grund." (Antwort: Um mich elend zu fühlen? Einen Verlust zu beklagen, der sich nicht ändern lässt? Dafür gibt es keinen ersichtlichen Grund.)

Und jeder Spruch, jede Floskel wird von der Autorin (zu Recht) scharf kritisiert. Sie ist selbst Trauertherapeutin und hat ihren Mann durch einen Badeunfall verloren, der sie zwang, alles Althergebrachte über Trauer zu überdenken. 

Teilweise fand ich ihre Ausführungen und Ratschläge etwas überspitzt - vor allem der letzte Teil mit ihrem "Stamm" -, aber im Großen und Ganzen lesenswert auch für das Umfeld von Trauernden, für das es ein Extrakapitel im Buch gibt. Es wird nichts wieder gut nach dem Verlust eines geliebten Menschen, nichts wie vorher. Nie mehr. Das ist eine Tatsache, die ich gern ignorieren würde, die aber stimmt. Wenn man plötzlich und endgültig ohne Partner, ohne den geliebten Menschen auskommen muss, steht die Welt Kopf. Man versteht sie nicht mehr und fühlt sich wie beraubt und verwundet. Alles um einen herum schmerzt: die Erinnerungen, Anblicke von Menschen, die nichts wissen von deinem Elend, ältere Pärchen, die Hand in Hand gehen. Eine Tochter, die ihre Mutter umarmt. Selbst das Einkaufen tut weh; abgesehen davon, dass körperliche Aktivitäten einem Kraftakt gleichen. Wie oft ich beim Anblick des Buko-Frischkäse im Kühlregal schon in Tränen ausgebrochen bin!

Und bevor es pauschal klingt: das ist es nicht. Auch das betont Megan Devine immer wieder: Trauer ist individuell. Keine Krankheit, die es möglichst rasch zu überwinden gilt. Die auch nicht immer den von Elisabeth Kübler-Ross entworfenen Trauerphasen folgt, auf die sich viele berufen. Selbst dieselben Verluste auf ähnliche Art werden unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet. Trauer muss ihre Akzeptanz in der Gesellschaft finden. Da sie bei Nicht-Trauernden Unbehagen und Verlegenheit auslöst, wird das nicht so einfach sein. 

 

Kranich17 / Pixabay

 

Erstaunlicherweise erntet man als Trauernder viel Unverständnis, wenn man sagt, dass man Zeit braucht und keine guten Ratschläge, die eh nicht helfen. Nach den oben genannten Sprüchen (die eigentlich nur hohle Phrasen sind) gibt es auch Gespräche, die zwar gut gemeint sind, aber verletzend für Betroffene. Die einem - natürlich unbewusst - Schuldgefühle einreden, von denen man vielleicht sowieso schon genug hat. Die Ansage, wir hätten selbstsüchtig gebetet, war der Tupfen auf dem I. Ganz ehrlich, das hat mich sehr getroffen.

Es ist sonderbar: obwohl ich eher introvertiert bin, hilft es mir, unter Leuten zu sein, die z.B. ein Familienunternehmen führen, aus dieser Gemeinsamkeit heraus wissen, wie eng Familien zusammenhalten können und auch, dass ich Mama nicht vermisse, weil sie "viel für mich gemacht hat". Nein, das ist es nicht. Auch wenn sie als Mama gut für uns gesorgt hat, waren wir doch erwachsen und selbständig. Es ist die Person um ihrer selbst willen, die eine nicht zu schließende Lücke hinterlässt. Wir kommen auch jetzt gut zurecht. Oberflächlich betrachtet. Besser, als viele gedacht hätten, die den Eindruck haben, dass Mama wortwörtlich unser Zugpferd war.

Aber wir trauern auf unsere Art. Nicht, wie andere es von uns erwarten oder vorschreiben. Zum Glück haben wir Freunde, die auch Tränen aushalten. Die nicht unbedingt irgendetwas sagen müssen vor lauter Verlegenheit oder uns gar nicht zu Wort kommen lassen, nur damit wir das "Thema" nicht anschneiden. Dabei tut es uns gut, über Mama zu reden. Vor allem mit Leuten, die sie kennen. Wenn dabei die Tränen fließen, was ist schon dabei? Es zeigt nur, dass sie fehlt und unsere Liebe zu ihr von ewiger Dauer ist. Das ist nicht verkehrt. Eine mitfühlende Umarmung tut gut. Es muss nicht mehr sein. 


Mein kreativer Weg: Bible Art Journaling

 In Megan Devines Buch werden praxisnahe Tipps gegeben, mit der Trauer umzugehen. Kreativität ist neben Freundlichkeit zu sich selbst der wichtigste davon. Und tatsächlich habe ich Bible Art Journaling entdeckt, nachdem ich Mamas entsprechende Bibel ein paar Tage mit Ehrfurcht vor ihren Zeichnungen und zu Papier gebrachten Gedanken betrachtet habe. Ich glaube, es freut sie, dass ich sie weiterführe. Denn zum ersten Mal empfinde ich etwas wie Trost, wenn ich über eine Bibelstelle nachdenke und sie dann grafisch an den dafür vorgesehenen Seitenrand setze. Ich bin Mama dann irgendwie nahe. Und Gott sowieso. 

Da ich mich wenig in der Bibel auskenne, ist das Bible Art Journaling eine tolle Möglichkeit, sie besser zu verstehen bzw. zu verinnerlichen. Vieles, worauf ich gestoßen bin, hat mit meiner derzeitigen Situation zu tun und erweckt in mir den Eindruck, dass Gott irgendwann doch wieder in mein Leben kommt. Bisher habe ich es noch nicht wieder geschafft, ihn komplett hereinzulassen in meine verwüstete Seele. Aber auch das ist vorerst okay. Ich weiß, dass Gott ein geduldiger Gentleman ist.



Samstag, 28. Oktober 2023

Fragen und Trauer. Und kaum eine Antwort oder Trost.

Im letzten Blogartikel schrieb ich über meine Mama, die Anfang September unerwartet und ganz anders als je gedacht zu ihrem himmlischen Papa gegangen ist. Ich denke, dass er den roten oder sogar goldenen Teppich ausgerollt hat bei ihrer Ankunft. Sie liebt Jesus und alles, was er für sie und uns getan hat. Das hat sie vielen erzählt und vermittelt, und nicht wenige sind durch sie zum Glauben gekommen. Sie hat sicher eine schöne Wohnung, die sie nie putzen muss, Natur zum Wandern und Genießen und Gesellschaft auf ihrer Veranda. Soweit ist alles gut. Um Mama müssen wir uns keine Gedanken machen, denn es geht ihr gut, dort wo sie ist, und ich wette, sie ist auch äußerlich wieder jung (obwohl sie nie alt und immer schön war, in jedem Lebensabschnitt).


Vielleicht sieht sie so wieder aus?

 

Was uns als Hinterbliebene dennoch beschäftigt, umtreibt und beinahe quält, ist die Frage, warum es so hat kommen müssen. Nicht das Warum an sich allein, sondern auch das Wie. Da Mama durch ihre Tätigkeit als Ernährungsberaterin seit über vierzig Jahren nie krank war oder Probleme mit dem Herzen hatte, nehmen wir an, dass die Herzschwäche durch einen Infekt entstanden ist, der nicht entdeckt wurde. Kurioserweise konnte uns kein Arzt, weder in der Praxis noch im Krankenhaus, sagen, was ihr fehlt. Leider wurde sich von beiden Seiten auch nicht die Mühe gemacht, eine Anamnese zu erstellen bzw. uns als Angehörige zu fragen, ob sie sich verändert hat in den letzten Monaten. Nicht, dass man dazu Zeit gehabt hätte, aber vielleicht hätte es etwas Licht ins Dunkel gebracht. So können wir nur spekulieren und erhalten keine klaren Antworten. 

 

Oder so? Mit Mitte Dreißig beim Töpfern.


Sicher ist nämlich, dass es nicht das Herz alleine war, das plötzlich nicht mehr so richtig funktionierte. Schon Monate vor der Einlieferung ins Krankenhaus durch den Notarzt im Juli war Mama nicht mehr so, wie wir sie kannten. Unruhig, nervlich nicht mehr belastbar, manchmal ängstlich und reizbar wie ein kleines Kind, wollte sie ihre Medikamente nicht mehr nehmen. Selbst die pflanzlichen Mittel verweigerte sie. Vielleicht auch, weil sie Schwierigkeiten beim Schlucken hatte und sich ihr Geschmacksinn veränderte. Nichts schmeckte mehr wie es sollte. Tag- und Nachtrhythmus gerieten durcheinander, und die Arzttermine ließen uns mehr und mehr fragend statt aufklärend zurück. 

 Und Mama, die sonst für jedes Problem eine Lösung hatte, war auf einmal genauso hilflos wie wir. Irgendwann wurde sie so schwach, dass jede Bewegung eine Anstrengung bedeutete. Die OP, die sie im Heidelberger Krankenhaus hatte, sollte zuerst nicht durchgeführt werden, doch der Chirurg setzte sich darüber hinweg. Erfolgreich, denn sie hatte gute Prognosen in Heidelberg. Allerdings stellte man eine Pilzinfektion fest, die jedoch aufgrund der Priorität der Herzoperation nicht umfassend behandelt wurde. Nach zwei Wochen musste sie in das Krankenhaus zurück, in dem sie aufgenommen worden war. Unsere Frage, ob sie nicht in Heidelberg bleiben könne, wurde vom Oberarzt bedauernd verneint. Hätten wir geahnt, wie sich alles weiterentwickelt, hätten wir darauf bestanden.

 

Dezember 2022


War sie in Heidelberg noch ansprechbar und hatte Hunger ("Pellkartoffeln mit Quark wären schön."), wurde sie auf der anderen Intensivstation mit jedem Tag apathischer und matter. Gar nicht mehr wie unser Mamele. Und ganz ehrlich: wenn man die Ärzte und Pfleger über sie reden hörte, konnte einem der Lebensmut und die Hoffnung sinken. Ich glaube, sie hat alles gehört und irgendwann mit Gott beschlossen, zu gehen. Das wäre ein besserer Trost als der, den uns die Ärzte gaben Anfang September ("Wir sind frustriert und brechen die Behandlung ab. Das ist nicht Ihre Entscheidung, sondern unsere. Machen Sie sich keine Gedanken."). 

Für uns war die Behandlung dort so unmenschlich, empathie- und würdelos den Patienten und deren Angehörigen gegenüber, dass ich nach einiger Zeit die Besuche gefürchtet habe. Schon nach ein paar Tagen vermittelte man uns sowohl durch Ärzte als auch dem Pflegepersonal, dass es keine Hoffnung gäbe und wir "zu einer Entscheidung kommen müssten". Zu welcher und warum, hat man uns nicht gesagt. Nur ein vages "neurologisches Problem" trat auf einmal auf. Einer der Ärzte meinte, alles wäre auf die Pilzinfektion zurückzuführen, doch eben dieser Mediziner verschwand auf mysteriöse Art und erschien nicht wieder, geschweige denn dass das Problem in Angriff genommen wurde. Überhaupt - von Ärzte- und Pflegepersonalmangel war hier wenig zu spüren. Es war eher verwirrend, wie viele es waren mit so vielen verschiedenen Meinungen, die sie mitunter ungefragt kundtaten. Und Mama konnte nicht reden und musste alles über sich ergehen lassen... wenn ein Pfleger oder eine Schwester Zeit hatte, haben wir von ihr erzählt. Wie mutig, lebenslustig, unkonventionell und liebenswürdig sie ist. Das hat überrascht. Und mir gezeigt, wie wenig man den Mensch in ihr sah. 

 

Mamele, du fehlst!

 

 Außer Zeit im Krankenhaus scheint übrigens auch die ärztliche Schweigepflicht ausgedient zu haben. Wir waren dankbar, dass auch Freunde und Bekannte mit unserem Einvernehmen Besuche auf der Intensivstation abstatten konnten, doch wie merkwürdig war es, von jenen Freunden und Bekannten zu erfahren, was dieser oder jener Arzt / Pfleger über Mamas Fall gesagt hatte. Sollte das nicht Angelegenheit der engsten Angehörigen bleiben?

Im Nachhinein, wenn ich alles noch einmal Revue passieren lasse, gewinne ich den Eindruck, dass man sich von vornherein keine Mühe gemacht hat mit ihr. Schon der erste Arzt, der am Bett mit uns stand, kannte den Krankenbericht nicht vollständig und meinte, dass seine Mutter diesselbe Geschichte nicht überlebt hatte (die allerdings auch zwanzig Jahre älter war und vermutlich eine andere Konstitution hatte). 

Ein andermal war der tags zuvor noch gesunde Chirurg von jetzt auf nachher krank, der einen kleinen Eingriff hätte vornehmen sollen, damit Mama in Reha und somit die Intensivstation verlassen kann. Das kam mir auch merkwürdig vor. Abgesehen davon, dass die Krankmeldung so schnell erfolgte: gibt es keinen anderen Fachmann auf diesem Gebiet in einem großen Krankenhaus? Der Eingriff war nach dem, was man mir sagte, nicht allzu kompliziert.

Niemand machte uns Hoffnung oder sprach uns und Mama Mut zu. Das tut sehr weh. Es tut besonders weh, weil sie nicht mehr ins Krankenhaus wollte nach den zwei Wochen im Herbst letzten Jahres. Und weil wir dachten, dass sich die Schulmedizin evtl. doch als Hilfe erweisen könnte, der wir durch Erfahrungen skeptisch gegenüberstehen. Unsere Einstellung hat sich nicht geändert, im Gegenteil. Schade. Hätte sie es doch. Oder hätte Gott das Wunder bewirkt, an das wir so geglaubt haben und von dem wir überzeugt waren. Auch noch, als die Ärzte kapitulierten. Aus dem Glauben haben wir Kraft geschöpft, die wir in diesen Wochen so dringend brauchten.


Wanderung im April 2023 mit Frank


"Jetzt kann Gott wirken", sagten wir uns voller Zuversicht. Aber er hat es nicht getan. Aus einem Grund, den wir nicht verstehen, nahm er Mama einen Tag nach Abbruch der Behandlung zu sich. 

Verabschieden konnten wir uns nicht. Papa meint, sie hätte es schon lange vorher getan. In Heidelberg vielleicht schon. Ich weiß, dass sie zu Papa in der hiesigen Intensivstation noch "Schatz, ich lieb' dich" sagte, und ihr letztes Wort an mich war "Shalom". 

Sie hat ihren Shalomfrieden gefunden, da bin ich sicher. Hoffentlich finden wir ihn mit der Zeit auch wieder, gemeinsam mit dem Vertrauen, dass Gott an unserer Seite steht. Bevor die Sache mit Mama war, haben wir das uneingeschränkt geglaubt. 

Hoffentlich kommt alles wieder, wenn auch das Leben jetzt ein anderes und ärmer sein wird ohne das Herz unserer Familie. Wir fühlen uns wie Verlierer, sagte Papa neulich zu einer Freundin. Und das trifft es auf den Punkt. Denn nichts ist quälender als die Grübelei über etwas, das nicht mehr zu ändern ist und vielleicht zu ändern gewesen wäre, hätte man Mama mehr Aufmerksamkeit und Hilfe zukommen lassen. Der Schmerz über ihren Verlust wird vermutlich mit der Zeit schwächer (ich kann es mir kaum vorstellen), doch wie wir die Zeit im Krankenhaus verkraften sollen und warum es dort scheinbar zu einer Abfolge unglücklicher Umstände kam, das wird lange in uns nachhallen. 

 


 

Darum gibt es momentan für uns selbst keinen richtigen Trost bis auf den, dass wir uns eines Tages wiedersehen.



Dienstag, 26. September 2023

Mama

 Dieser Artikel wird schwer. Mein Mamele ist mit 76 Jahren heimgegangen zu ihrem Herrn Jesus. Von Kindesbeinen an hat sie ihn als ihren guten Hirten erkannt und ist mit ihm durchs Leben gegangen wie kein zweiter Mensch, den ich kenne. Und ebenfalls wie kein zweiter besaß sie eine tiefe Liebe zu Menschen, vielseitige Interessen, Mut, Neugier und Offenheit, die sie im Herzen und auch äußerlich immer jung gehalten haben. Sie wollte alt und lebenssatt mit 120 Jahren an Papas Seite gehen, doch Gottes Plan sah anders aus. 


Im Kindergarten.


Sie war mir Mama, Freundin und Ratgeberin zugleich. Die Erinnerungen, die ich an sie habe, sind nur schön, aber gerade jetzt auch sehr schmerzlich. Gemeinsam haben wir Häkelpüppchen nach eingeschickten Fotovorlagen gefertigt, wobei sie vor keiner noch so heiklen Herausforderung zurückschreckte. Wenn ich meinte, das sei zu schwer, meinte sie leichthin: "Lass es uns doch probieren, das schaffen wir schon." Und so war es auch. Die Puppen, die in die Welt hinausgingen, waren zum Großteil durch ihre Ideen und deren perfekte Umsetzung so wertvoll wie wunderschön anzusehen. Dazu bei trugen z.B. aufgenähte Borten, aufgestickte Gold- und Silberfäden als Verzierung und Zusatzmaterial wie alte Knöpfe. Was Handarbeit anging, konnte ihr niemand das Wasser reichen. Vermittelt hat sie mir ihr Wissen auf diesem Gebiet mit einer Engelsgeduld. Dennoch habe ich es nie zu solch großem Geschick gebracht wie sie, die schon als Mädchen die Nachbarskinder Häkeln und Sticken gelehrt hat. Dass sie so gut war in Handarbeit, wurde ihr in der Schule sogar zum Verhängnis: die Lehrerin war der Überzeugung, dass sie niemals selbst die Taschentücher so fein und fehlerlos bestickt haben könne und es jemand anderes für sie erledigt hatte, also erhielt sie eine schlechte Note.

 


 

Als kreativer Mensch, gelernte Krankenschwester und Diplom-Gesundheitsberaterin fand sie immer Lösungen. In allen Bereichen. Vielen Menschen hat sie geholfen. Unaufdringlich, aber konsequent. Mein Opa überwand dank ihr seine Demenz und hatte noch sechs schöne Jahre bei uns und in seiner eigenen Wohnung. Und es gab viel Besuch, häufig auch Gäste, die jahrelang blieben und bei uns respektive im Haus meiner Eltern wohnten, weil sie sich dort wohlfühlten und gut aufgehoben. Es gab ja immer einen Ansprechpartner mit einem offenen Ohr. Ich erinnere mich an ein Ehepaar aus den USA, das mehrere Tage bei meinen Eltern zu Gast war. Der dunkelhäutige Mann hat beim Abschied geweint und gesagt, dass er sich nirgends so akzeptiert gefühlt hat wie bei uns. Und dabei sprach Mama nicht einmal Englisch.

Sie hatte ein großes Herz und war ein richtiger Sonnenschein. Der Mittelpunkt unserer Familie. Mit ihrer liebevollen, humorvollen und freundlichen Art nahm sie jeden für sich ein. Manchmal sogar unfreiwillig, denn häufig kamen Leute zu ihr, um ihr von ihren Sorgen und Nöten zu erzählen, ohne dass sie dazu aufforderte. Ihre Ausstrahlung und ihre Anteilnahme für andere waren einzigartig und außergewöhnlich; etwas, das mir erst jetzt bewusst wird. 

Nie gab es ernsthaft Streit oder Meinungsverschiedenheiten mit meinem Papa, den sie sechzig Jahre lang kannte und der sie so gut ergänzt hat. Ein so harmonisches Paar über Jahrzehnte hinweg wie meine Eltern gibt es heutzutage nur noch selten. 


Hochzeit mit Papa.

 Gemeinsam haben sie Höhen und Tiefen erlebt, als frühe Wahlbayern Wanderungen in den Bergen geliebt und uns, die Kinder, die erst spät geplant wurden, aber rechtzeitig genug, um noch wirklich junge Eltern zu sein. Als Familie waren wir wohl ebenfalls etwas Besonderes: Gerade zu Coronazeiten sind wir noch ein bisschen enger zusammengerückt, und zuvor waren wir allein durch den Familienbetrieb, den wir bis 2013 führten, aufeinander angewiesen. Auch durch meine Depression ein paar Jahre zuvor hat sie mir geholfen. Wäre sie nicht gewesen, hätte ich vermutlich immer noch daran zu schlucken.

 

Rottenburg am Neckar, 2019

 

Durch ihren Glauben und ihre "radikale" Nachfolge zu Jesus ist sie mehrmals angeeckt, doch auch das konnte sie nie beirren auf ihrem Weg. Obwohl sie vielen Menschen begeistert von Jesus erzählt hat, war es vor allem ihre Art, die erkennen ließ, wie natürlich und ernst und doch leicht und praktisch sie den Glauben nahm und umsetzte. Niemand, der ihrer Hilfe bedurfte, wurde abgewiesen. Allen, die zu uns kamen und mit denen sie redete, begegnete sie mit Offenheit und Wärme. Es kam vor, dass sie Obdachlose und Flüchtlinge mit nach Hause brachte, die sie auf der Straße um Geld anbettelten, um ihnen stattdessen ein Essen zu kochen. 

Für viele war sie eine Inspiration in gelebter Nächstenliebe. Und wenngleich sie sich selbst nie als "mütterlich" bezeichnet hätte, war sie es irgendwie doch. Mein Mamele, mein geliebtes. Alles konnte man ihr erzählen, zu ihr kommen, um Rat fragen, sich ausweinen. Aber am schönsten waren ihre Ermutigung und ihre Freude über die Freude anderer. Vielleicht ist sie dadurch in ihren eigenen Bedürfnissen etwas zu kurz gekommen, wie das bei Mamas oft der Fall ist. Trotzdem glaube ich, dass sie nichts vermisst hat. Sie liebte ihre Familie, das Haus, Blumen und die Natur mit ihren Schätzen, sie genoss neue Begegnungen, um sie als Freundschaften zu pflegen, und sie steckte immer voller Ideen, Projekte und Visionen. Langeweile kannte sie nicht. 

 

Rast beim Wandern, unserem Steckenpferd.

 

Mit fünfzig absolvierte sie eine Ausbildung an der Reformhausfachakademie, nachdem sie sich schon Jahre zuvor mit gesunder Ernährung und einem positiven Lebensstil befasst hatte. Dankbarkeit war ihr sehr wichtig. Es gibt viele handschriftliche Aufzeichnungen von ihr, die ich später, wenn es nicht mehr so weh tut, einmal sichten muss. Denn es sind ermutigende Gedanken, die es wert sind, gelesen und verinnerlicht zu werden.

Ich kann es immer noch nicht wirklich begreifen, dass sie nicht mehr da ist. Wer so gern gelebt hat, so tatkräftig und aktiv war und auf sich geachtet hat wie Mama, der hätte es verdient, noch länger auf der Erde zu verweilen, die für sie als Gottes Schöpfung wunderschön war. 

Viele Freunde meinten, das Erste, was ihnen zu Mama einfällt, ist ihr herzliches Lachen. Andererseits nahm sie sich viel im Weltgeschehen zu Herzen und hat sich gelegentlich überfordert, wie zum Beispiel mit Webinaren, Videos und Onlinekursen. Computerarbeit war nicht ihre Sache, auch wenn sie es versucht hat. Lieber sprach sie mit Leuten von Angesicht zu Angesicht, doch im Sommer wurde auch das zu anstrengend, bis Jesus sie am 9. September ins himmlische Vaterland führte.

 

Dezember 2022, im WIRTHs HAUS

Wir vermissen dich, Mama. Man sagt, du lebst in unseren Herzen weiter, aber das ist mir zu abstrakt und wenig nachvollziehbar. In meinem Herz herrscht Leere, seit du fort bist. Mein einziger Trost ist, dass es dir gut geht und du glücklich bist da, wo du jetzt bist. Wo du geliebte Menschen wie Opa Fritz und Oma Emma wiedertriffst und auch unsere Haustiere, die du so geliebt hast. Wo du einen blühenden Garten hast, nach dem du dich gesehnt hast, seit wir den Rittersbruch verlassen haben. Berge und Seen zum Umwandern. Und dass wir uns wiedersehen. Die Saat, die du auf Erden gesät hast, hat für uns reiche Früchte gebracht. Wie groß muss dann erst deine Ernte im Himmel sein!

Shalom, Mamele! Danke für die kostbare irdische Zeit mit dir als Mama, die doch viel zu kurz war. Wir lieben dich!