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Mittwoch, 13. Februar 2019

Review Jane Eyre (BBC, 2006)

Auf diesen grandios umgesetzten Klassiker von Charlotte Bronte bin ich durch den englischen Schauspieler und Maggie Smith-Spross Toby Stephens gekommen, der mir von einer amerikanischen Freundin durch die Serie "Black Sails" vorgestellt wurde. Die Serie selbst fand ich eher durchschnittlich, wäre da nicht der rothaarige und knurrige Captn. Flint mit seinem dunklen Geheimnis gewesen. Der irgendwie interessante Typ machte mich neugierig auf weitere Filme, und daher ließ "Jane Eyre" nicht lange auf sich warten.




Zum Inhalt brauche ich wenig zu sagen. Das Waisenkind Jane (Ruth Wilson), verstoßen von ihrer hartherzigen Tante, nimmt eine Stelle als Gouvernante in Thornfield Hall an, dem Anwesen des rastlos reisenden Edward Fairfax Rochester (Toby Stephens). Obwohl beide am Tag ihrer ersten Begegnung gegenseitige Seelenverwandtschaft feststellen, tut sich vor allem der eigenbrötlerische und ungehobelt wirkende Rochester schwer, seine Gefühle für ein einfaches und viel zu junges Ding einzugestehen. Außerdem gibt es da noch eine Last im Nordturm, die er nicht über Bord bzw. die Burgzinne werfen kann. Jane hingegen glaubt trotz aller ihrer zur damaligen Zeit erstaunlichen Emanzipation, dass der Herr nur mit ihr spielen will. Schließlich hat er offenbar vor, eine Dame seines Standes, die schöne Blanche Ingram, zu ehelichen. Aber es kommt alles ganz anders... und doch wie erwartet.

Meinung: Es gibt viele Verfilmungen von Jane Eyre, und gewiss auch gute. Ein Beispiel für eine zwar ästhetisch ansprechende, aber eher blutleere Umsetzung des Stoffes ist die Kino-Version von 2011 mit Mia Wasikowska und Michael Fassbender, die an derselben Location gedreht wurde (Haddon Hall in Derbyshire). 

Für mich war die BBC-Version die gefühlvollste, schönste und farbenprächtigste. Das liegt vor allem an Toby Stephens, der mir als Nichtkenner des Buches zum ersten Mal gezeigt hat, dass ein Rochester nicht perfekt aussehen soll (und doch attraktiv ist), und dass er auch ziemlich barsch und unangenehm sein kann, ohne es zu beabsichtigen. Seine Unsicherheit überspielt er mit Zynismus, ironischem Selbsthass und vorgetäuschter Gleichgültigkeit.





Anders als der stets mitleiderregend leidende und lethargisch wirkende Michael Fassbender in derselben Rolle (sorry, der Vergleich muss erlaubt sein) meistert Toby Stephens Rochesters Ambivalenz von hart zu zart mit souveräner Sprunghaftigkeit, und es gelingt ihm dabei sogar, einen Hauch Animalismus zu versprühen, der dem Womanizer Edward Rochester wohl von Charlotte Bronte auf den Leib geschrieben wurde. Dass er mehrere unerfüllte Affären auf den West Indies und in Paris hatte, bei denen er stets der Dumme war, wurde in der züchtigen späteren Kinoversion nur angedeutet.

Apropos züchtig: zwar ist der Mehrteiler bereits ab sechs Jahren freigegeben, doch teilweise geht es für das viktorianische England recht heftig zur Sache. Die Szene, in der Jane nach der geplatzten Hochzeit ins Schlafzimmer flüchtet und Rochester sie bekniet, als Bruder und Schwester am Mittelmeer zusammenzuleben, zeigt deutlich, dass er nicht unbedingt vorhat, seinen edelmütigen  Plan in die Tat umzusetzen. Die Szene mitsamt Beleuchtung, das eindringliche Gesäusel und das engumschlungene (unverheiratete!) Paar auf dem Bett ist an knisternder Erotik kaum zu überbieten... (O; Und trotzdem zeigt sie am deutlichsten, wie ernst es Rochester mit seinem Angebot ist. Für mich war sie die beste im ganzen Film.




Zwei kleine Kritikpunkte habe ich, die sich aber nicht auf mein wohlwollendes Gesamturteil auswirken: die ein wenig kitschige Schluss-Szene mit dem Familienporträt war wichtig für Jane, die als kleines Kind davon ausgeschlossen wurde, aber für meinen Geschmack doch etwas dick aufgetragen. Keine Ahnung, ob sie im Buch eine ebenso wichtige Rolle spielt. Dann wäre sie nämlich zu entschuldigen.

Der zweite Punkt ist gravierender, hat mich glücklicherweise jedoch nicht besonders tangiert, da ich den Film zuerst im Original geguckt habe. Die Synchronisation ist so grauenvoll und holprig, dass ich mich gefragt habe, wie man derart dreist aus dem "drawing room" einen Zeichensaal und aus dem deutschen "Handschuh" einen denglischen "handshoe" machen kann, und das waren die auffälligsten Schnitzer neben mehreren. Dazu gehört auch Rochesters onkelhafte deutsche Stimme, die viel zu alt und gesetzt klang im Vergleich zu Mr. Stephens sexy kehligem Organ. Wer englisch kann, sollte sich den Film unbedingt im Original anschauen!

Bewertung: begeisterte