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Sonntag, 6. Juli 2025

Interview für die RNZ zu meinem Buch "Shalom Mamele"

 Wie bist du darauf gekommen, dieses Buch zu schreiben und warum?

Eigentlich wollte ich es gar nicht schreiben, weil ich dachte, es sei zu schmerzhaft. Meine Trauer über den Verlust war so groß, dass ich meine Gedanken in den sozialen Medien geteilt habe und darauf überraschend positive Kommentare und auch PNs erhielt. Oft kannte ich die Leute nicht einmal persönlich, doch einer regte dazu an, meine Geschichte mit Mama niederzuschreiben, weil er so viel Liebe aus meinen Beiträgen spürte. Das fand ich enorm und berührend. Zunächst scheute ich mich davor, eine Art „kreatives Trauerschreiben“ in Gang zu setzen. Ich hatte Angst, es könnte mich emotional belasten, nachdem Mamas Krankengeschichte so unerwartet unglücklich verlaufen war. Aber es ließ mich nicht los, und als ich anfing, zu schreiben, habe ich mich jeden Tag darauf gefreut und die Trauer während des Schreibens tatsächlich etwas vergessen. Ich hatte Spaß daran, alte Familienfotos für das Buch auszusuchen und in Erinnerungen zu schwelgen, die durchweg schön sind. Erst jetzt wird mir bewusst, wie außergewöhnlich unser Familienzusammenhalt war und wie viele Menschen uns darum beneiden. Intakte Familien gibt es anscheinend nicht mehr viele, doch dafür ist der Schmerz umso größer, wenn ein Familienmitglied geht, das so elementar dazugehört wie Mama. 

 


 Wie lange hast du gebraucht, das Buch zu schreiben?

Weniger als zehn Tage. Das glaubt mir keiner, wenn ich es sage. Jemand meinte sogar, ich hätte ChatGPT bemüht, doch ich weiß nicht mal genau, was das ist, geschweige denn wie man es bedient.  Diesen Flow beim Schreiben hatte ich lange nicht mehr, und ich bilde mir gern ein, dass Mama mich inspiriert hat, indem sie unsichtbar mit im Schreibzimmer saß. Sie hat mich immer ermutigt, Geschichten zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, daher weiß ich, dass sie nun im Himmel vor Freude in die Hände klatscht, wenn sie ihr Schaufenster in der Buchhandlung sieht. Es war für mich bittersüß, zu erfahren, dass ausgerechnet „Shalom Mamele“ hier am Ort größere Beachtung findet als meine Romane. Vielleicht liegt es daran, dass meine Mutter in Sinsheim eine bekannte Persönlichkeit ist und man uns als Familie durch den „Bastel-Wirth“ kennt, den wir bis 2013 betrieben.

Wie hast du dich beim Schreiben gefühlt?

Ich war überrascht, wie gut es mir ging und wie wohltuend es war, meine Geschichte mit Mama in möglichst vielen Einzelheiten Revue passieren zu lassen. Mir fielen Begebenheiten ein, an die ich vorher nie mehr gedacht hatte. Einiges wurde mir auch klarer, z.B. ihre Initiative in Sachen Gesundheit und ihre Neugier in sämtlichen Bereichen. Sie liebte Menschen. Nichts war ihr ein größerer Lohn als zu wissen, dass sie ihnen geholfen hatte, wenn sie ratsuchend zu ihr kamen. Ich habe große Bewunderung und Respekt, dass sie den Mut hatte, in Eigenverantwortung unbetretene Pfade zu gehen; etwas, das für viele undenkbar ist. Da war sie eine Inspiration für uns alle. 

 

 

 Was ist dein Lieblingskapitel?

Ein spezielles könnte ich jetzt nicht nennen. Es war besonders schön, über meine Großeltern – Mamas Eltern - zu schreiben, denen jeweils ein Kapitel gewidmet ist. Man erfährt darin, dass es sich häufig auszahlt, Neues und Ungewöhnliches zu probieren – etwas, das meine Mama immer gern und auf eigenes Risiko getan hat. Im Nachhinein hat es mich verblüfft, wie rund und ineinander verwoben alle Kapitel sind, und die Tatsache, dass deutlich wird, wie viel Liebe und Wertschätzung in unserer Familie vorhanden sind. Auch ohne Mama, die wir alle schmerzlich vermissen. Wir müssen neue Strukturen im Alltag finden. Das braucht Zeit und ist nach so langer Zeit eingespielter Teamarbeit nicht einfach.

Meinst du, das Schreiben hat dir bei der Trauerbewältigung zumindest etwas geholfen?

Mamas unerwarteter Heimgang war für uns traumatisch. Bis zuletzt haben wir daran geglaubt, dass sie wieder gesund wird. Es war daher ein großer Schock, als es nicht so kam. Wir alle hatten Schuldgefühle und Fragen, die nicht beantwortet wurden. Wenn ein geliebter Mensch geht, ist das schlimm. Fast noch schlimmer ist die Ungewissheit über das Warum und die eigene Hilflosigkeit. Für mich war das Schreiben ein Ventil, meine Gefühle zu ordnen. Dankbar zu sein für die gemeinsame Zeit. Ich glaube, dass ich während des Schreibprozesses weniger traurig war, weil die schönen Erinnerungen auflebten. Natürlich flossen dabei hin und wieder Tränen, aber ich würde jedem Trauernden raten, aufzuschreiben, was besonders schön war mit dem geliebten Menschen. Für mich als gläubiger Mensch ist es zudem ein Trost, dass Mama uns nur vorausgegangen ist.

 


 

Wie sind die Rückmeldungen zu deinem Buch?

Sehr positiv. Ich denke, das liegt auch daran, dass unsere Geschichte zeigt, wie gut eine Familie funktionieren kann. Mama war immer offen für jeden, sie knüpfte gern Kontakte und hatte eine große Liebe nicht nur für uns, sondern für alle, die zu ihr kamen. Sie wollte die Welt ein Stück verbessern, und ich denke, es ist ihr im eigenen Umfeld auch gelungen. Ihren Optimismus und ihre Fröhlichkeit, ihr Vertrauen auf Gott – selbst in Krisen - hat sie nie verloren. Und sie liebte ihre Familie, obwohl sie selbst es nicht leicht hatte in ihrer Kindheit. Das imponiert meinen Lesern, die mir schrieben, dass dieses Buch „die Seele wärmt“. Andere meinten, in jeder Zeile seien die Schönheit und die Intensität unseres Familienlebens zu spüren. Und nicht zuletzt ist das Buch auch ein Trost für diejenigen, die selbst trauern. Daher ist es nicht unbedingt nötig, Mama persönlich gekannt zu haben, um das Buch zu lesen. Vielen mir unbekannten Lesern gibt es das Gefühl, Teil einer Familie zu werden, die zwar einzigartige Erlebnisse hatte, aber in ihrer Trauer nachvollziehbar ist und es erlaubt, den eigenen Trauerprozess besser zu verstehen, statt zu verdrängen. Das war mir neben dem liebevollen Andenken an Mama und meiner eigenen Bewältigung des Verlustes das größte Anliegen mit „Shalom Mamele“.

 

 

1 Kommentar:

  1. Sehr berührend, liebe Christine. Kannte ja Deine Mama sehr gut und daher finde ich es sehr wertschätzend, wie Du das machst.

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