Wie bist du darauf gekommen, dieses Buch zu schreiben
und warum?
Eigentlich wollte ich es gar nicht schreiben, weil ich
dachte, es sei zu schmerzhaft. Meine Trauer über den Verlust war so groß, dass
ich meine Gedanken in den sozialen Medien geteilt habe und darauf überraschend
positive Kommentare und auch PNs erhielt. Oft kannte ich die Leute nicht einmal
persönlich, doch einer regte dazu an, meine Geschichte mit Mama
niederzuschreiben, weil er so viel Liebe aus meinen Beiträgen spürte. Das fand
ich enorm und berührend. Zunächst scheute ich mich davor, eine Art „kreatives
Trauerschreiben“ in Gang zu setzen. Ich hatte Angst, es könnte mich emotional
belasten, nachdem Mamas Krankengeschichte so unerwartet unglücklich verlaufen
war. Aber es ließ mich nicht los, und als ich anfing, zu schreiben, habe ich
mich jeden Tag darauf gefreut und die Trauer während des Schreibens tatsächlich
etwas vergessen. Ich hatte Spaß daran, alte Familienfotos für das Buch auszusuchen
und in Erinnerungen zu schwelgen, die durchweg schön sind. Erst jetzt wird mir
bewusst, wie außergewöhnlich unser Familienzusammenhalt war und wie viele
Menschen uns darum beneiden. Intakte Familien gibt es anscheinend nicht mehr
viele, doch dafür ist der Schmerz umso größer, wenn ein Familienmitglied geht,
das so elementar dazugehört wie Mama.

Wie lange hast du gebraucht, das Buch zu schreiben?
Weniger als zehn Tage. Das glaubt mir keiner, wenn ich es
sage. Jemand meinte sogar, ich hätte ChatGPT bemüht, doch ich weiß nicht mal
genau, was das ist, geschweige denn wie man es bedient. Diesen Flow beim Schreiben hatte ich lange
nicht mehr, und ich bilde mir gern ein, dass Mama mich inspiriert hat, indem
sie unsichtbar mit im Schreibzimmer saß. Sie hat mich immer ermutigt,
Geschichten zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, daher weiß
ich, dass sie nun im Himmel vor Freude in die Hände klatscht, wenn sie ihr
Schaufenster in der Buchhandlung sieht. Es war für mich bittersüß, zu erfahren,
dass ausgerechnet „Shalom Mamele“ hier am Ort größere Beachtung findet als
meine Romane. Vielleicht liegt es daran, dass meine Mutter in Sinsheim eine bekannte
Persönlichkeit ist und man uns als Familie durch den „Bastel-Wirth“ kennt, den
wir bis 2013 betrieben.
Wie hast du dich beim Schreiben gefühlt?
Ich war überrascht, wie gut es mir ging und wie wohltuend es
war, meine Geschichte mit Mama in möglichst vielen Einzelheiten Revue passieren
zu lassen. Mir fielen Begebenheiten ein, an die ich vorher nie mehr gedacht
hatte. Einiges wurde mir auch klarer, z.B. ihre Initiative in Sachen Gesundheit
und ihre Neugier in sämtlichen Bereichen. Sie liebte Menschen. Nichts war ihr
ein größerer Lohn als zu wissen, dass sie ihnen geholfen hatte, wenn sie
ratsuchend zu ihr kamen. Ich habe große Bewunderung und Respekt, dass sie den
Mut hatte, in Eigenverantwortung unbetretene Pfade zu gehen; etwas, das für
viele undenkbar ist. Da war sie eine Inspiration für uns alle.
Was ist dein Lieblingskapitel?
Ein spezielles könnte ich jetzt nicht nennen. Es war besonders
schön, über meine Großeltern – Mamas Eltern - zu schreiben, denen jeweils ein
Kapitel gewidmet ist. Man erfährt darin, dass es sich häufig auszahlt, Neues
und Ungewöhnliches zu probieren – etwas, das meine Mama immer gern und auf
eigenes Risiko getan hat. Im Nachhinein hat es mich verblüfft, wie rund und
ineinander verwoben alle Kapitel sind, und die Tatsache, dass deutlich wird,
wie viel Liebe und Wertschätzung in unserer Familie vorhanden sind. Auch ohne
Mama, die wir alle schmerzlich vermissen. Wir müssen neue Strukturen im Alltag
finden. Das braucht Zeit und ist nach so langer Zeit eingespielter Teamarbeit
nicht einfach.
Meinst du, das Schreiben hat dir bei der
Trauerbewältigung zumindest etwas geholfen?
Mamas unerwarteter Heimgang war für uns traumatisch. Bis
zuletzt haben wir daran geglaubt, dass sie wieder gesund wird. Es war daher ein
großer Schock, als es nicht so kam. Wir alle hatten Schuldgefühle und Fragen,
die nicht beantwortet wurden. Wenn ein geliebter Mensch geht, ist das schlimm.
Fast noch schlimmer ist die Ungewissheit über das Warum und die eigene
Hilflosigkeit. Für mich war das Schreiben ein Ventil, meine Gefühle zu ordnen.
Dankbar zu sein für die gemeinsame Zeit. Ich glaube, dass ich während des
Schreibprozesses weniger traurig war, weil die schönen Erinnerungen auflebten.
Natürlich flossen dabei hin und wieder Tränen, aber ich würde jedem Trauernden
raten, aufzuschreiben, was besonders schön war mit dem geliebten Menschen. Für
mich als gläubiger Mensch ist es zudem ein Trost, dass Mama uns nur
vorausgegangen ist.
Wie sind die Rückmeldungen zu deinem Buch?
Sehr positiv. Ich denke, das liegt auch daran, dass unsere
Geschichte zeigt, wie gut eine Familie funktionieren kann. Mama war immer offen
für jeden, sie knüpfte gern Kontakte und hatte eine große Liebe nicht nur für
uns, sondern für alle, die zu ihr kamen. Sie wollte die Welt ein Stück
verbessern, und ich denke, es ist ihr im eigenen Umfeld auch gelungen. Ihren
Optimismus und ihre Fröhlichkeit, ihr Vertrauen auf Gott – selbst in Krisen -
hat sie nie verloren. Und sie liebte ihre Familie, obwohl sie selbst es nicht
leicht hatte in ihrer Kindheit. Das imponiert meinen Lesern, die mir schrieben,
dass dieses Buch „die Seele wärmt“. Andere meinten, in jeder Zeile seien die
Schönheit und die Intensität unseres Familienlebens zu spüren. Und nicht
zuletzt ist das Buch auch ein Trost für diejenigen, die selbst trauern. Daher
ist es nicht unbedingt nötig, Mama persönlich gekannt zu haben, um das Buch zu
lesen. Vielen mir unbekannten Lesern gibt es das Gefühl, Teil einer Familie zu
werden, die zwar einzigartige Erlebnisse hatte, aber in ihrer Trauer
nachvollziehbar ist und es erlaubt, den eigenen Trauerprozess besser zu verstehen,
statt zu verdrängen. Das war mir neben dem liebevollen Andenken an Mama und
meiner eigenen Bewältigung des Verlustes das größte Anliegen mit „Shalom Mamele“.