Seit Mama nicht mehr da ist, koche ich öfter als früher. Das ist notwendig, weil Papa sonst nichts Gescheites isst und er ohnehin ziemlich abgenommen hat in den letzten Monaten, die so schwer für uns waren. Vielleicht tue ich ihm da unrecht, aber er würde sich ein Brot schmieren und gut is(s). Das Kochen stellt mich und meine Schwester vor Herausforderungen. Gesund und abwechslungsreich soll das Essen sein, so wie wir es von Mama gewohnt sind, die ja Ernährungsberaterin war (und im Himmel bestimmt immer noch ist).
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Roman trage ich auf Händen. |
Im Zuge des Aussortierens von Mamas Sachen (was uns immer noch schwerfällt - aber sie hat jetzt viel schönere Dinge, mit denen sie sich umgibt und an denen sie Freude hat) stieß ich auf ihre Römertöpfe, mit denen sie vor der Ernährungsumstellung durch Dr. Weiss mehrmals in der Woche Fleisch zubereitet hat. Das war, als Mama und Papa jung verheiratet waren. Ich kann mich nicht mehr an die Zeit erinnern, als es très chic war, mit dem Römertopf zu kochen, aber Papa hat davon geschwärmt, wie zart besonders das Geflügel war, das darin geschmort wurde.
Mama besitzt zwei Römertöpfe - eine rohen (Roman) und einen glasierten (Silvanus - nach dem römischen Gott der Landwirtschaft. Die Namen habe ich ihnen gegeben). Beide standen Jahrzehnte geduldig und unbenutzt im Schrank. Mir gefiel die Idee, dass schon die alten Römer mit so etwas geschlemmt hatten, und unter uns: ein findiges Völkchen waren sie, die Römer. Progressiv und erfindungsreich. So ist es auch kein Wunder, dass die Zubereitung im Römertopf nicht nur gesund und schonend ist. Bei sachgerechtem Wässern vor Gebrauch brennt auch nichts an. Fleisch und Gemüse werden durch die abgegebene Feuchtigkeit der Keramik schön saftig und bissfest. Verkochtes, das ist ein Fremdwort für Roman und Silvanus.
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Rinderrouladen mit Kartoffeln. |
Nachdem ich die tiefgefrorenen Rinderrouladen als Premierenrömertopfgericht auf den Tisch gebracht hatte, waren alle so begeistert von Geschmack und Aussehen, dass mir Frank für das zweite Gericht ein Biohuhn anvertraut hat mit der Bitte, es schön kross zu braten wie seinerzeit seine Oma. Obwohl ich das Rezept in einem alten Kochbuchklassiker aus den 1960er Jahren (erstanden auf Ebay) nachgelesen habe, wurde es nicht wirklich knusprig. Das war eine kleine Enttäuschung, und ich hätte mir sehr gewünscht, die Oma noch fragen zu können, wie sie es gemacht hat. Oder Mama, die bestimmt auch gewusst hätte, wo der Fehler lag.
Der zweite Versuch mit Hähnchenschenkeln gelang etwas besser, allerdings immer noch suboptimal. Ich gebe aber nicht auf. Irgendwann präsentiere ich ein knackiges Brathuhn, besser als von jeder Imbissbude.
Ich bin echt froh, dass ich Roman nicht weggegeben und stattdessen seine Qualitäten entdeckt habe. Nach der langen Zeit im dunklen Schrank hat er das mehr als verdient. Und ich traue mich endlich an mehr Fleischgerichte heran als nur Hackbraten. Selbstverständlich kann man auch Fisch und vegetarische Gerichte im Römertopf zubereiten. Als nächstes habe ich mir Forelle blau vorgenommen, bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich das emotional auf die Reihe kriege...
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Silvanus kann auch Brot backen. |
Die Reinigung hatte ich mir viel komplizierter und aufwendiger vorgestellt, als sie tatsächlich ist. Im Kochbuch wird ein spezieller Schwamm empfohlen, der jedoch vom Markt verschwunden ist (und das, wo ich erstaunt bin, wie viele Menschen noch mit dem Römertopf hantieren und ihn als treuen Küchenbegleiter nutzen - die Römertopfgruppe auf Facebook hat über 20 000 Mitglieder!). Macht nichts, denn Wasser und eine Spülbürste erfüllen den Zweck ebenso gut. Ganz aus der Mode geraten ist der Römer trotz Schnellkochtopf und Thermomix übrigens keineswegs. Roman (mit den Verzierungen und dem Schriftzug der Firma Bay) ist für ca. sechzig Euro immer noch erhältlich.
Ich bin total happy mit meiner neuen Kocherrungenschaft und wünschte nur, ich könnte Mama davon erzählen und mit ihr zusammen Rezepte ausprobieren. Sie würde laut lachen, dass ich nach fast fünfzig Jahren etwas von ihr gefunden habe, was schon lange in Vergessenheit geraten ist. Typisch Ninchen, hör' ich sie sagen.
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