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Donnerstag, 18. April 2013

Faszination Erster Weltkrieg

Viele der Geschichten in meinen Romanen haben den Ersten Weltkrieg zum Thema. Nicht vordergründig, denn ich bin kein Fan von blutigen, sinnlosen Gemetzeln, auch wenn ich zuweilen in Rückblenden literarische Abstecher auf die Schlachtfelder in Flandern und Frankreich mache und durch entsprechende Filme und Bücher den Hauch einer Ahnung habe, wie furchtbar das gewesen sein muss. Doch die Zeit und die psychischen und politischen Nachwirkungen auf Land und Leute faszinieren mich mehr. Besonders im Vereinigten Königreich, wo dieser Krieg als "The Great War" Einzug in die Geschichtsbücher gefunden hat, kam es zu Umwälzungen und Veränderungen: die glorreiche viktorianische Epoche gehörte endgültig der Vergangenheit an, und die Verluste, die England erlitten hatte, waren durch die Giftgasangriffe höher als je zuvor in einem Krieg. Noch heute gilt der "Great War" in England als beinahe verheerender und denkwürdiger als der folgende in den 1940er Jahren.




Aber auch persönlich bin ich davon ein wenig betroffen. Mein Ur-Großvater väterlicherseits fiel kurz vor Kriegsende nahe Verdun, gilt aber offiziell als verschollen. Keiner weiß genau, wo er begraben liegt - man nimmt an, dass ihn eine Granate Bein und Arm gekostet hat und er verblutet ist.

Das Einzige, das sich heute noch als Erinnerung an ihn im Familienbesitz befindet, ist sein imposanter Regiments-Bierkrug - mit vom Zahn der Zeit abgebrochenem Adler und symbolisch eingeschlagenem Boden als Zeichen dafür, dass der Soldat in Ehren fürs Vaterland  gestorben ist und kein anderer je aus dem Gefäß trinken darf (eine zweifelhafte Ehre, aber naja, so war die Zeit). Bis vor kurzem dachte ich, er wäre unabsichtlich beschädigt worden.

Meine Oma - ein kleines Mädchen noch beim Abschied des Vaters - kam nie wirklich über seinen Tod hinweg. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern und hat ihn sehr geliebt.  Ich habe ihr einmal das Chanson "Sag mir wo die Blumen sind?" kindlich ahnungslos vorgesungen, weil mir die Melodie so gut gefallen hat, und werde nie vergessen, dass sie anfing zu weinen. Für mich war das ein großer Schock. Ich kannte meine Oma nur lachend und lustig, selbstironsch oft, aber traurig habe ich sie vorher und nachher nie wieder erlebt, und ich habe mich schrecklich geschämt, dass ich der Auslöser dafür war - auch wenn ich nichts dafür konnte.

Meine Cousins haben ihr häufig angeboten, in die Champagne zu fahren, um das Soldatengrab ausfindig zu machen. Aber sie hat stets abgelehnt. Lieber hat sie im Alter von über siebzig mit dem Freund ihres Sohnes (mein Papa) eine spontane Segelfliegertour gemacht.




Ich selbst war im Rahmen eines Schüleraustausches bei Paris in der Gegend und auch in Verdun und der Gedenkstätte Douaumont, doch die Zeit war zu knapp, um die riesigen Friedhoffelder abzugrasen in der Hoffnung, den Namen meines Urgroßvaters dort zu entdecken. Vielleicht hätte es meine Oma doch getröstet, ein Foto zu sehen, auf dem seine letzte Ruhestätte verewigt ist - wenn es sie denn überhaupt gibt. Viele Soldaten wurden anonym bestattet.

Der Spruch Zeit heilt alle Wunden traf nicht auf meine Oma zu, zumindest nicht, was den Tod ihres Vaters anging. Und irgendwie kann ich das verstehen. Aber ich habe nie gemerkt, dass sie deswegen bitter gewesen wäre; etwas, das ich an meiner Oma sehr bewundere.

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