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Sonntag, 22. Dezember 2013

Ein Meisterwerk: Lawrence of Arabia / Lawrence von Arabien (1962)

Oh, ich liebe diesen Film! Und nein, ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass ich wegen Peter O'Toole voreingenommen bin (vielleicht ein bisschen...).




In erster Linie ist der Star des Films die Wüste. Unglaublich, wie jede Szene - wirklich jede, ich habe darauf geachtet - wie ein Gemälde wirkt.

Peter O'Toole als T. E. Lawrence ist eine tolle Wahl, und es scheint, als wäre ihm die Rolle des ambivalenten Kriegshelden auf den geschmeidigen, eleganten Leib geschneidert. Aber tatsächlich wurde sie ihm von US-Kollege Montgomery Clift weitervermittelt, der in den homosexuellen Tendenzen von Lawrence (im Film nur angedeutet) einen Zusammenhang zu seinen eigenen fürchtete. Briten sind da halt weniger zart besaitet... (O;

Die Riege damals großer und aufstrebender Hollywood-Stars gibt sich in "Lawrence von Arabien" die Klinke in die Hand;  auch eine Tatsache, die mich fasziniert. Ein junger wilder Omar Sharif an der Seite des noch wilderen Hitzkopfes  Auda Abu Tayi / Anthony Quinn zu sehen, dazwischen ein kultivierter, zurückhaltender Prince Faisal / Sir Alec Guiness ist für feinsinnige Cineasten schon ein besonderer Genuss.

Eindrucksvoll fand ich auch die Figur des türkischen Hauptmanns (José Ferrer), dem der arme Lawrence durch eigenes Verschulden und sein exotisch-kaukasisches Aussehen in die gierigen Hände fällt. Uh, da lief mir echt ein Schauer über den Rücken! Man hat irgendwie sofort gespürt, dass der Hauptmann nichts Gutes im Schilde führt und von dem britischen Offizier mehr als angetan war ("Your eyes are blue"), als er ihm das wallende Gewand von den schmächtigen, alabasterweißen Schultern reißt.

Die Szene der Folterung und anschließenden Vergewaltigung, von der der echte Lawrence in seinen Memoiren später schreibt, ist subtil und vor allem Letzteres natürlich nicht einmal angedeutet, sieht man von dem voyeuristischen Hüsteln des Hauptmanns hinter der halb geöffneten Tür ab. Trotzdem hinterlässt die Szene, als Sherif Ali / Omar Sharif den misshandelten Lawrence wortwörtlich aus dem Dreck zieht, einen beklemmenden Verdacht, der zur Gewissheit wird, als Lawrence sich bei der Einnahme des damals von den Türken besetzten Damaskus in einen Blutrausch steigert, der selbst den mit ihm kämpfenden Arabern Rätsel aufgibt - kannten sie ihren Anführer bisher doch eher diplomatisch und britisch-unterkühlt.

Bevor er sich jedoch als abgestumpfte, hirnlose Kampfmaschine bewähren soll, zieht Lawrence in letzter Minute die Reißleine, widersetzt sich den Befehlen von oben und kehrt nach England zurück.




Wie gesagt, ein großartiger Film, der nicht nur hervorragend unterhält und trotz der Überlänge von dreieinhalb Stunden nie langweilig wird. Er erzählt auch ein Stück Geschichte aus einer Zeit, die mich aus verschiedenen Gründen begeistert, brilliert mit einem exzellenten Cast und einer wahnsinnig guten orchestralen musikalischen Untermalung, welche die einzigartige Atmosphäre und die gigantische Wüste perfekt vertonen. Gekrönt natürlich von einem zuerst unbeholfen und täppisch erscheinenden Peter O'Toole, der im Lauf des Films eine Verwandlung zu einer fast überirdischen Lichtgestalt für die arabischen Stämme durchmacht, um sich wieder nach einem "gewöhnlichen" Leben zu sehnen.

Fazit: Nicht nur geschichtlich und vom ästhetischen Gesichtspunkt aus interessant, sondern zudem eine detailierte Charakterstudie eines Mannes, der bei allem politischen Individualismus an der andersartigen Mentalität der Araber scheiterte. Auch wenn er den geschichtlichen T. E. Lawrence und die damit verbundenen Ereignisse der Arabischen Revolte nicht ganz korrekt wieder gibt, sollte der Film in keiner anspruchsvollen Videothek fehlen.


Bewertung:
 






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