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Samstag, 1. Februar 2014

Walt Disney ~ Der Glöckner von Notre Dame (1996)

Seien wir mal ehrlich: an diesen Film denkt kaum jemand, wenn man nach einer Auflistung von Walt Disney-Filmen gefragt wird. Mir zumindest ist er überhaupt nicht mehr präsent gewesen, und das, obwohl ich eben jenes Plakat in meinem Zimmer hängen hatte und den Zigeuner-Anführer / Narr Clopin und den von Klaus-Jürgen Wussow grandios synchronisierten Richter Frollo total dufte fand. Bestimmt habe ich ihn mir im Kino mehrmals angesehen, obwohl ich mich merkwürdigerweise auch daran kaum erinnere. 




Als ich den "Glöckner" neulich wieder angeschaut habe, wusste ich, warum. Der Film war einfach so gar nicht meiner. Was umso komischer ist, da ich ihn mal wirklich gemocht habe und sogar vor Happy Meal-Tüten nicht zurückschreckte, in denen Figuren der Disney-Produktion versteckt waren. Richter Frollo, ja, der war irgendwie immer noch cool, und die Botschaft, dass man Andersartige nicht ausgrenzen und als gleichwertig behandeln soll, ist wichtig und auch verständlich. Das kann man nicht früh genug lernen.

Was mich aber stört, ist das eindeutig zu Gruselige für kleine Kinder. Liedzeilen wie "Das Feuer der Hölle" und "...hatte Angst um seine Seele nach dem Tod" gehören meiner Meinung nach genauso wenig in einen Familienfilm wie die ständig düstere Atmosphäre, Frollos sexueller Frust in Bezug auf die Zigeunerin und die dick aufgetragene Melodramatik. Außerdem findet Frollo einen zu grausamen Tod - es ist das Volk, das Quasimodo verspottet, und selbst da Frollo ihn nur aus Angst um seinen eigenen Seelenfrieden versteckt und beschützt, so sagt er doch die Wahrheit, als er meint, dass die Welt schlecht ist für deformierte Kreaturen wie Quasimodo.

In der Realität würde der vermutlich sein Kathedralen-Gefängnis am Ende zu schätzen wissen. Ich muss mir mal den gefühlten 100 000 Seiten-Schinken von Victor Hugo vorknöpfen - oder die Verfilmung mit Anthony Quinn, um zu sehen, wie die Geschichte ursprünglich endet. Bestimmt tragisch, so dass die weichgespülte Disney-Variante doch eine willkommene Alternative ist, auch wenn der arme Quasi nicht die Prinzessin bekommt, weil der Hauptmann Phoebus natürlich viel fescher ist. *Das* wäre doch der Kracher fernab jeglicher Klischees gewesen.

Die Lieder haben allesamt bis auf die von Frollo nur genervt. Binsenweisheiten, lahme Motivationspaukenschläge, schräge närrische Töne ("Heute sind die Leute doof") und plumpe Anschuldigungen der superheißen Esmeralda an den Allmächtigen ("Gott deine Kinder") haben mich gedanklich häufig zu Ohropax greifen lassen. Ist der letzte weinerliche Song allen Ernstes mit einem Oscar ausgezeichnet worden? Da hör' ich mir lieber noch mal den bösen Frollo an.





Nett waren die drei Gargoyles, mit denen sich der einsame Quasimodo unterhält, um im Glockenturm nicht komplett zu versauern. Besonders der besonnene Victor hat mir gut gefallen. Leider war er der einzige Pluspunkt, und es wurden teilweise Vorurteile aufgefahren, die den Machern vielleicht gar nicht bewusst waren und in denen sich der rassistische Richter wohl bestätigt gefunden hätte:  Die Zigeuner - angeblich friedlebend und unauffällig - horten in ihrem "Hof der Wunder" in der Kanalisation von Paris Skelette und machen mit Eindringlingen in ihr Allerheiligstes kurzen Prozess. Das wirft nicht gerade ein gutes Licht auf sie, denn das Lied, mit dem Clopin die "Exekution" einleitet, wirkt primitiv und blutrünstig. Natürlich haben Außenstehende das Recht, sich zu verteidigen, aber sie hätten Quasimodo und den tumben Hauptmann wenigsten anhören können, bevor sie die Stricke für sie drehen.

Fazit: Es tut mir leid, es sagen zu müssen, doch "Der Glöckner von Notre Dame" ist nicht von ungefähr einer der schlechteren Disney-Filme, die trotz einiger guter Figuren keine Klassiker-Qualitäten entwickeln. Wahrscheinlich wurde das Thema verfehlt - soweit ich weiß, ist es der erste und einzige Versuch bisher, einen Erwachsenenroman zu verfilmen und in Familienunterhaltungsformat zu quetschen. Und dann auch noch mit einem Sujet, das Kinder überfordert. Nee, das war quasi ein Schuss in den Ofen. Kein Film, den man an die große Glocke hängen möchte.


Bewertung:

 

dank Klaus-Jürgen Wussow, der als einziger Sprecher / Schauspieler auch die mitunter anspruchsvollen Gesangspassagen übernommen hat.



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