Die Idee, etwas in der Art entstehen zu lassen, auf meine ganz eigene Weise und mit eigenen Erfahrungen und Einfällen verwoben, nahm langsam Gestalt an - erst in meinem Kopf und auf Notizzetteln, dann zuhause auf dem ausrangierten Computers meines Vaters, weil ich noch keinen eigenen besaß (Zeiten waren das!). Damals habe ich die Ich-Perspektive bevorzugt und mich daher entschlossen, durch die Augen meiner Protagonistin zu schreiben.
Die Geschichte ist mit Sicherheit kein Herzschmerz oder eine Liebestragödie, auch wenn es um eine Beziehung geht. Sie erzählt von den Ängsten und Defiziten einer jungen, traumatisierten Frau, die mit einem wesentlich älteren Mann, der als Theaterregisseur arbeitet, zusammenlebt und erkennt, dass sie seinem Intellekt, seiner Erfahrung und seiner Weltgewandtheit nicht gewachsen ist und doch von ihm profitiert; zumindest solange, wie sie seine Führung benötigt, die er ihr gerne, aber nicht ganz ohne Bedingungen oder schmerzlos gewährt. Ich habe ein Faible für zerrissene und ein bisschen verrückte Charaktere. Einiges über ihre Vergangenheit findet über Gespräche in Dialogform statt, und vieles lässt Milan rätselhaft distanziert erscheinen und die Erzählerin kindlich und in starker Abhängigkeit zu der Person, von der sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben angenommen fühlt.
Obwohl die Beziehung alles andere als harmonisch verläuft und von Verlustängsten von seiten der jungen Frau geprägt ist, gelingt es Milan allmählich, ihr Selbstwertgefühl zu wecken, indem er sie (meist) so behandelt, wie sie behandelt werden möchte.
Leseprobe folgt wie immer nach "weitere Informationen".
Dreimal
die Woche begleite ich Milan ins Theater, er hat mir dort eine Ausbildung als
Kulissenmaler verschafft; dank seiner Beziehungen war das nicht schwierig,
wenngleich Herr Schönberg anfangs dagegen war, er vertrat die Ansicht, dass,
wer kein Text behalten kann, auch nicht fähig ist, ein Bild für die Bühne zu
malen. Ich habe lange gebraucht, sein Vorurteil ins Wanken geraten zu lassen,
entweder habe ich mich nicht getraut, mit Farbe und Form zu experimentieren,
oder er fand meine Arbeit schon von vornherein schlecht, ohne sie penibel zu
inspizieren, wie er das bei den anderen macht. Doch ich lerne, mich
durchzusetzen, zuweilen muss Herr Schönberg meine Arbeitswut und meinen Experimentiereifer
bremsen. Milan hat er neulich wissen lassen, dass ich tatsächlich begabt wäre,
persönlich lobt er mich nie. Es macht mir nichts aus, ich finde meine Bilder
gut, ich brauche keine Bestätigung von außen.
Gemeinschaftsbilder,
wie sie für einen kompletten Hintergrund erforderlich sind, fallen mir schwer,
ich kann nicht kreativ sein in einer Gruppe. Bei Diskussionen und
Ideenaustausch halte ich mich zurück, da ich es nicht gewohnt bin, gemeinsam
Probleme zu lösen, ich kann nicht über meinen Schatten springen, ich bin noch
nicht soweit. Herr Schönberg hält mich für arrogant, er schiebt mit typische
Lehrlingsaufgaben zu, als das Bild aufgestellt ist, soll ich auf die
Klappleiter steigen und helfen, die Wand gerade zu stellen. Oben wird mir
schwindlig, alles dreht sich, ich klammere mich an den Sprossen fest, wage kaum
zu atmen. Meine Hände schwitzen, mein Herz rast.
Was
ist, Fräulein Regisseur, ruft Herr Schönberg hinauf. Arbeitsverweigerung? Ich
rühre mich nicht, mein Mund ist so trocken, dass ich nicht antworten kann.
Murrend klettert Herr Schönberg nach oben, er steht hinter mir, umfasst meine
Mitte, Schritt für Schritt nähern wir uns der Erde. Darfst halt nicht nach
unten schaun, Spatzl, sagt Herr Schönberg brummig.
Da
ich früher Feierabend habe als Milan, muss ich warten, in dem Raum, in dem er
mit den Schauspielern probt, steht in der Ecke eine Holztruhe, ich setze mich
darauf und sehe zu. Milan hat eine neue Regieassistentin, Herr Fiedler ist
krankgeschrieben, sie soll ihn vertreten. Ich merke, dass sie oft andere Ansichten
hat als Milan, einmal schreit sie ihn an, ich zucke zusammen, nie hätte ich es
gewagt, Milan anzuschreien. Doch sie einigen sich schnell, sie lachen, Frau
Müller legt ihre Hand auf Milans Brust.
Auf
dem Weg zum Auto zieht mich Milan an sich, eng umschlungen gehen wir die
Treppen zum Ausgang hinunter, er hat einen guten Tag, in der Öffentlichkeit
zeigt er selten, dass wir ein Paar sind, er spricht auch nie mit Kollegen über
mich. Er berichtet überschwänglich von Frau Müller, wie diszipliniert und
konsequent sie arbeitet, so etwas hätte er mit Fiedler noch nie erlebt,
vielleicht kann er ihm schonend den Gedanken an die Rente nahe bringen. Ich
habe Mitleid mit dem schrulligen Herrn Fiedler, den ich ganz gerne mochte,
trotz seiner Schwerhörigkeit, die besonders bei den jüngeren Akteuren Anlass zu
Spötteleien gibt. Schwach sage ich: Aber er ist doch schon über fünfundzwanzig
Jahre beim Theater. Zeit, aufzuhören, sagt Milan und verpasst mir einen Klaps
auf den Po.
Wir
sind zum Essen mit dem Intendant und Frau Müller verabredet, ich stehe Stunden
vor dem Spiegel und schminke mein Gesicht, ich will unbedingt hübscher aussehen
als Frau Müller. Milan ist entsetzt, er hat es nicht gerne, wenn ich mich
hinter meinem Make-up verstecke, ich wasche alles wieder runter, nur Puder und
Lippenstift ist erlaubt.
Im
Restaurant sind wir die letzten, Herr Killinger hat seine Frau mitgebracht,
Juilane Müller, die aussieht, als wäre sie in einen Farbtopf gefallen, ist
alleine; ohne dazu aufgefordert worden zu sein, erklärt sie, im Moment solo zu
sein, dabei präsentiert sie ein eingeübtes maskenhaftes Lächeln, das sie über
den Tisch zu Milan schickt. Er lächelt zurück, ich habe ein flaues Gefühl im
Magen, denke an Heidemaries Geschichten über seine angeblichen Affären; ich
will ihn nicht verlieren. Frau Müller wirft mir von Zeit zu Zeit forschende
Blicke zu, nur solange, bis ich aufschaue, dann weicht sie meinem Blick aus und
macht eine beiläufige Bemerkung über das Essen oder den Wein. Beim Dessert, als
alles Geschäftliche schon ausgeschöpft ist, hält sie es nicht länger aus: Eine
reizende Tochter haben Sie, sagt sie, zu Milan gewandt. Ich höre zu kauen auf,
eine Stille breitet sich am Tisch aus. Sie ist nicht meine Tochter, sagt Milan.
Als hätten sie soeben das Startsignal zum Weiteressen erhalten, löffelt das
Ehepaar Killinger eifrig ihre Quarkspeise, ich bekämpfe erfolglos einen Lachanfall.
Hinterher schäme ich mich dafür, ich bitte Milan um Verzeihung. Warum
entschuldigst du dich eigentlich ständig, fragt er. Seine Gleichgültigkeit
trifft mich härter als jeder Vorwurf, ich bin beinahe bereit, ihm von meiner
Angst zu erzählen, mein Zwiespalt entgeht ihm nicht: Willst du mir was sagen?
Hastig schüttle ich den Kopf, ich glaube, er würde es doch nicht verstehen, er
behandelt alle Frauen mit selbstverständlicher Freundlichkeit, auch Frau
Müller. Er hebt mein Kinn an, ich muss ihn ansehen, er sagt: Ich brauche dich,
das weißt du doch. Vor Erleichterung fange ich an zu weinen, er wiegt mich wie
ein kleines Kind.
Der
Vorfall mit Frau Müller macht mir auf erschreckende Weise deutlich, wie sehr
ich mich auf Milan fixiert habe, es stimmt, was Heidemarie gesagt hat, ich bin
abhängig von ihm. In einer Beziehung wollte ich immer Freiheiten offen halten,
mich nicht emanzipieren, aber doch eine eigene Person sein. Was habe ich nur
falsch gemacht, liegt es überhaupt an mir? Allem, was nach Sicherheit und Geborgenheit
aussah, bin ich aus dem Weg gegangen, ich habe früh gelernt, mich nicht auf
andere zu verlassen, bis ich Milan traf, er hat jemanden aus mir gemacht, den
ich nie sein wollte. Leider sind Erkennen und Handeln zweierlei, ich bin nicht
stark genug, zu handeln, ich bin Wachs in Milans Händen.
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