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Mittwoch, 26. April 2023

Ein lebenslanger Weggefährte: Harry Belafonte (1927 - 2023)

 Am 25. April starb mit 96 Jahren ein Ausnahmekünstler, der mich von der Wiege an begleitet hat. Das klingt ein bisschen komisch, ist aber tatsächlich so. Harry Belafonte zählt mit Neil Diamond, Simon & Garfunkel und ABBA zu den Lieblingsmusikern meiner Eltern, die Langspielplatten besaßen, welche mir schon als Baby und Kleinkind Vertrautheit geschenkt haben. Ihre Songs sang ich phonetisch nach, ohne zu wissen, von was die Texte handelten.

 

 

Es war mir auch egal, über *was* da gesungen wurde - der lebensfrohe Calypso-Rhythmus hat mich unglaublich mitgerissen, und die wehmütigen Lieder wie "Island in the Sun" oder "Try to Remember" treiben mir bis heute die Tränen in die Augen, wenn ich sie höre; Tränen des Glücks und der inneren Bewegung. 

Ich glaube, kein Musiker hat es geschafft, mich so zu berühren wie Harry Belafonte, der mir immer präsent war. Meine Eltern sahen ihn in den 1980er Jahren live und meinten, er sei auf der Bühne noch charismatischer als auf seinen Platten. Dass er nicht nur ein begnadeter Sänger war, sondern auch Bürgerrechtler, der gemeinsam mit Martin Luther King für die Freiheit der Schwarzen gekämpft und zudem Filme gemacht hat, wusste ich lange nicht, doch für mich war ohnehin klar, dass Mr. Belafonte ein außergewöhnlicher Mensch war. Allein die Tatsache, dass er mit seiner Musik Herzen froh machen konnte, rückte ihn für mich in die Nähe eines Zauberers. Seinem typischen Calypso-Sound und der warmen Stimme kann man sich einfach nicht entziehen. Sobald "Angelina" erklingt, "Mathilda" oder der "Banana Boat Song", überkommt mich das Bedürfnis, zu tanzen und herumzuspringen. Und das, wo ich absolut keine begabte Tänzerin bin. 

Sicherlich hat ein Mann wie Harry Belafonte ein viel größeres Vermächtnis hinterlassen als *nur* seine Musik. Vor kurzem habe ich eine Dokumentation über sein bewegtes Leben gesehen (das meinetwegen viel länger hätte dauern können), und war überrascht, wie vielseitig interessiert und engagiert er war. Auch, dass er als einer der wenigen ausländischen Künstler in der damaligen DDR auftreten durfte, fand ich enorm. Dass er als Kind Jamaika nicht mochte, wohin ihn die mittellose Mutter schickte und er erst später so etwas wie Verbundenheit mit der Insel empfand, die er mehrmals besingt und die eigentlich gar nicht so sonnig war, war ebenfalls neu für mich. 

 


 

Doch was mir sehr imponiert und gefallen hat, war, dass er offenbar nie mit etwas haderte, das nicht zu ändern war, und dort, wo es Möglichkeiten gab, gehandelt hat. Sich als Brückenbauer zwischen Nationen und Völkern verstand, und dabei so bescheiden geblieben ist. Sein Talent für den unverwechselbaren Feelgood-Groove sah er genau so als Geschenk Gottes wie seine Wirkung als Botschafter für eine bessere Welt. Und für die hat er nicht nur gekämpft, sondern durch leise und ruhige Töne etwas verändert. In den Vordergrund hat er sich dabei nicht gedrängt, und das verdient besonderen Respekt und Hochachtung. 




Menschen wie er werden in der Zukunft vermisst werden. Nicht nur deshalb bedaure ich seinen Tod, der mir trotz seines gesegneten Alters immer noch unwirklich vorkommt. Aber seine Musik lebt ewig weiter. Und falls im Himmel noch kein Calypso getanzt wird, haben die Engel nun den perfekten Lehrmeister. Farewell, lieber Harry! 



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