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Freitag, 8. November 2013

Schmerzlicher Blick in die Vergangenheit



 

In meiner Stadt gab es bis zum Jahr 1938 reges jüdisches Leben. Damals war sie noch kleiner als heute, doch sogar die noch kleineren Nachbarsorte hatten ihre eigenen Synagogen - ein jüdischer Friedhof findet sich ebenfalls nicht weit entfernt, der allerdings nur noch in Bruchstücken bzw. stark verwitterten Grabmälern vorhanden ist.

Demnächst jährt sich wieder die unselige Kristallnacht, die dafür sorgte, dass alles, was die Gemeinden an Kultur und Wissen durch die jüdischen Mitbürger bereicherte, buchstäblich über Nacht verschwand. Nicht nur war das ein düsteres Kapitel unserer jüngsten Geschichte; es hat Deutschland unleugbar ärmer an Vielfalt gemacht. 





 

Ich war auf dem Synagogenplatz, um Fotos zu machen, weil ich es wichtig finde, dass man nie vergisst, welches Verbrechen an der Menschheit hier begangen wurde - blind und taub gegen jede Form von Nächstenliebe, Zivilcourage  und Vernunft. Da ich selbst mich dem Judentum sehr verbunden fühle, war es emotional nicht leicht, mir den Schrecken zu vergegenwärtigen, den die Leute empfunden haben mussten, als sie Zeuge davon wurden, wie ihre Gotteshäuser in Flammen aufgingen. In allen betroffenen Städten stand damals ironischerweise die Feuerwehr einsatzbereit neben den niederbrennenden Synagogen, um das Überspringen des Feuers auf benachbarte *arische* Grundstücke zu verhindern.

Heute stehen auf dem Platz Bürogebäude, ein Friseurgeschäft und heruntergekommene Asylantenwohnblocks. Die Überbleibsel dessen, was ihn über ein Jahrhundert ausgemacht und sich bis vor fünfundsiebzig Jahren wie selbstverständlich ins Stadtbild eingefügt hat, wirkt jetzt beinahe exotisch. Mich hat das sehr nachdenklich und traurig gestimmt.




 

Irgendwie gab es mir Trost, dass die Gedenktafel darauf hinwies, dass sich die Gemeinde mit Beschämung und Trauer an diese Zeit erinnert. Und dass in größeren Städten Synagogen wieder aufgebaut wurden und werden. Schade nur, dass wir wohl nie wieder die Selbstverständlichkeit erreichen, friedlich und ohne Misstrauen und Vorurteile Seite an Seite zu leben.



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