Translate

Samstag, 13. August 2022

"Wiedersehen in Hannesford Court" ~ Martin Davies

Selten, dass ich einen Roman lese, der, mal wieder als "typisch britisch" beschrieben, mich dermaßen im Dunkeln gelassen hat, dass ich das Buch leicht verärgert zugeschlagen habe. Vielleicht war aber das, was im Klappentext stand, gar nicht das Wesentliche, sondern die Tatsache, dass es eine Vorgeschichte dazu gibt, in der sämtliche Figuren Mitwisser sind außer dem Protagonisten. Dann hätte der Plot bedingt etwas wahrlich Raffiniertes.



 

Inhalt: England, 1919: Captain Tom Allen, ein Freund der Familie Stanbury, kehrt aus dem Krieg zurück und erhält eine Einladung nach deren Anwesen Hannesford Court in Devon, um dort den Jahreswechsel zu feiern. Er erhält außerdem einen Brief von Freddie Masters, ebenfalls ein Freund der Familie, in dem er gebeten wird, den Tod des deutschen Professors Schmidt genauer zu untersuchen, der sich kurz vor Ausbruch des Krieges während des Rosenballs der Stanburys ereignet hat. Auch die Gesellschafterin Anne Gregory trifft dort ein, die Tom in die delikate Natur seiner Mission einweiht. Der Besuch weckt viele Erinnerungen, viele unausgesprochene Gefühle und Dinge, die man den gutbetuchten und distinguierten Stanburys nicht zugetraut hätte... und dann muss Tom auch noch einen Nachruf auf Harry beim Gedenkgottesdienst zum besten geben, obwohl er den ältesten Stanbury-Sohn kaum kannte.

 

Alice_Alphabet / Pixabay

Meinung: Erzählt wird die Geschichte abwechselnd von Tom Allen und Anne Gregory, was ich bisweilen ein bisschen irritierend fand. Auch mit den Zeitabschnitten bin ich nicht so ganz klar gekommen - was war Pre-WW1 und was Post-WW1, welches Ereignis dazwischen. Um das zu unterscheiden, muss man wohl ziemlich flott und aufmerksam sein beim Lesen, und ganz ehrlich, ich war es nicht wirklich, dazu war mir das Ganze zu viel Geplätscher mit Bällen, Jagdausflügen und Müßiggang der Reichen. 

Das Buch ist trotzdem recht unterhaltsam geschrieben, auch die Stanburys und die Schrecken des "Great War" sind gut dargestellt. Sympathisch war mir indes niemand; nicht der gutmütige Tom, nicht die scheinbar unscheinbare Anne, und schon gar nicht die Familie Stanbury. 

Überhaupt, die Verwandtschaftsverhältnisse und Geklüngel waren - nach alter englischer Tradition - ziemlich verzwickt, am Ende dann aber schlüssig. Vielleicht war die Aufforderung Freddie Masters', den Tod des Professors aufzuklären, nur ein Vorwand, denn ich war, was das betraf, nicht schlauer als am Anfang. Ansonsten gab es wenig Überraschungen: den verbitterten jüngeren Sohn, der nun das Anwesen erben wird und es dabei abgrundtief hasst, ihm gegenüber die unwiderstehlichen Geschwister, die jeden um den Finger wickeln und von denen der gefallene Bruder nun in den Heldenstatus gehoben wird. Ich fand das ein bisschen zu konstruiert, zu flach. Zumal Harry, um den es in der Hauptsache geht, als nur Nebenfigur auftaucht und für den Leser kaum greifbar wird. Ich glaube, er spricht nicht einmal einen einzigen Satz. Das war schade, weil ich gerne mehr über ihn gewusst hätte, dem geborenen Siegertypen, der Schwierigkeiten gekonnt umschifft und in der Regel charmant, aber auch entschlossen seine Ziele erreicht. 

Psychologisch betrachtet, ist der Roman nicht uninteressant, und auch geschichtlich hat er mich überzeugt. Allerdings waren in der Geschichte zu viele angefangene Fäden, die ich gern zu Ende gesponnen gesehen / gelesen hätte. 

 

Bewertung: 💫💫💫


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen