Translate

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Das Mädchen Friederike ~ Ines Widmann

Vor kurzem habe ich in einem Bücherregal gestöbert, das ich immer nur im Vorbeifahren sehe. Mitnehmen wollte ich eigentlich nichts, nur mal schauen. Zeit zum Lesen habe ich nicht mehr viel, und auch die Muße nicht, wenn ich ehrlich bin. Doch sehr zu meiner Freude fand ich drei alte Mädchenromane plus ein neuerer Roman über die Titanic. Ich muss dazu sagen, dass ich alte Bücher liebe. Nicht so sehr wegen der Sprache und den oft etwas umständlich erzählten Geschichten, sondern wegen der griffigen Haptik und der Covergestaltung. Das älteste ist kartoniert wie einst mein geliebter Wassermann von Otfried Preußler. So sieht es aus:

 


  

Mama hat ähnlich gemalt als Jugendliche, und die warmherzige Friederike ist ihr tatsächlich etwas ähnlich. Das Buch spielt in den späten 1950er Jahren, erschienen ist es 1963. Friederikes beste Freundin heißt sogar Elvira und ist dunkel "wie eine Zigeunerin" (Ups!). Wieder eine Referenz an Mama... 

Inhalt: Laura Niedlinger hat vor kurzem ihren Mann verloren und ist mit 65 Jahren auf sich allein gestellt. Ihre Ehe blieb kinderlos, und zu den Nachbarn hat sie aus Gründen keinen Kontakt. Da fällt ihr ein, dass der nach Kanada ausgewanderte Neffe ihres Mannes eine Tochter hat, die im Waisenhaus lebt. Sie macht Friederike ausfindig und möchte sie adoptieren, damit sie im Alter und im Haushalt Hilfe hat, aber auch, um nicht mehr allein zu sein. 

Friederike hat ein sonniges Gemüt, beim Lachen ein Grübchen in der Wange und tut ihr Bestes, um ihre Großtante zu unterstützen. Doch sie merkt auch, dass Tante Laura nicht ganz unschuldig ist daran, dass die Nachbarn sie meiden und sie ihre Isolation selbst gewählt hat. Nach und nach verändert sich das Zusammenleben zwischen den beiden und den Nachbarn, ohne dass Tante Laura es wirklich merkt. Denn Friederike ist pfiffig, hegt aber keine deutlichen Absichten, die Tante zu mehr sozialen Kontakten zu bewegen. Ihre Bemühungen, die dazu führen, sind eher zufällig. Oder ihre Gebete spielen eine Rolle, denn oft ist sie nicht gerade glücklich bei Tante Laura, hat es ihr im Waisenhaus bei all den anderen Mädchen, Elvira und der lustigen Tante Marta doch viel besser gefallen.

 

Herr Meier muss ein Setter sein...

 Meinung: Ich weiß nicht so recht, wie anfangen, so berührt hat mich die Geschichte auf mehreren Ebenen. Erst einmal Friederikes Ähnlichkeit zu Mama, die in derselben Zeit aufgewachsen und auch so alt ist wie die Romanheldin. Auch mag ich Bücher aus der Zeit, weil sie sich mit vielem decken, was die Eltern erzählt haben: Die Küche als einziger Wirk- und Wohnbereich, da die übrigen Zimmer nicht beheizt wurden, "Kinoabende" bei den Nachbarn in der Siedlung, die schon ein TV-Gerät hatten, und die Verantwortung im Haushalt, selbst wenn man erst zehn Jahre alt ist. 

Ich habe ein Faible für die 1950er bis 1970er Jahre, und "Friederike" lässt die 1960er richtig aufleben. Den Obstgarten und das idyllische Haus "Höhenruh", ihr neues Daheim, konnte ich fast riechen und besichtigen.

Friederike ist für Tante Laura fast so etwas wie der kleine Lord Fauntleroy für seinen eigenbrötlerischen Großvater, aber viel subtiler und frei von Kitsch. Manchmal hatte ich beim Lesen Tränen in den Augen. Ich mochte die unerschrockene, burschikose Friederike, die sich nie unterkriegen lässt, und die vor lauter Einsamkeit bei der einengenden Tante unerlaubt an einem Preisauschreiben teilnimmt, bei dem man einen Hund aus dem Tierheim gewinnen kann - undenkbar heutzutage! Sie ist mutig, hilfsbereit, freundlich, unvoreingenommen, aber sie erkennt Ungerechtigkeit gegen sich und gegen andere, und ist bereit, zu handeln. Auch ihrem neuen Freund Max hilft sie aus der Patsche, als er seinem Ferienjob aufgrund einer Verletzung nicht nachkommen kann. Und natürlich ist da noch Elvira, ihre kleine Schutzbefohlene, der sie ein Versprechen gegeben hat...

Für mich ist "Das Mädchen Frederike" ein Kleinod. Eine herzerwärmende Geschichte, die wohl nur noch antiquarisch zu erwerben ist. Oder auf Bücherflohmärkten und in öffentlichen Regalen. Für mich als kleine Nostalgikerin ein Glücksgriff.

Bewertung:  💫💫💫💫💫

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen