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Sonntag, 5. April 2020

Filme in Zeiten von Corona (IV): "Topkapi" (1964)

Bevor ich etwas zum Rififi-Ableger von Jules Dassin schreibe, muss ich kurz erklären, dass ich als Teenager eine Schwäche für Maximilian Schell hatte und ihn bis heute neben David Bowie als einen der vielfältigsten und bemerkenswertesten Künstler unserer Zeit betrachte. In meiner Schell-Phase habe ich sämtliches Material über den Mann gesammelt, den ich damals richtig sexy fand, u.a. auch Filme von und mit ihm, die heute kaum jemand mehr kennt. Dazu gehört leider auch die Gangsterkomödie "Topkapi", in der neben Maximilian Schell ein weiteres Multitalent namens Peter Ustinov glänzt. Zudem erfreut sich die Kernsequenz des Films vieler Nachahmer und Reminiszenzen in neueren Filme, wie z.B. in Mission Impossible mit Tom Cruise.




Inhalt: In einem psychedelisch gefärbten und gewöhnungsbedürftig anmutenden Vorspann führt die exaltierte Klepto- und Nymphomanin Elizabeth Libb (ein bisschen overacting von Melina Mercouri) durch das Topkapi-Museum in Instanbul und zeigt uns das Objekt ihrer Begierde, bei dessen Anblick nicht nur ihre Augen feucht werden.

Gemeinsam mit ihrem Komplizen und Gelegenheitsliebhaber Walter Harper/Häberli (Maximilian Schell) will sie den unschätzbar wertvollen Dolch des Sultans im Glaskasten aus dem Museum entwenden. Dazu fertigt sie eine Kopie des Dolchs an, um sie mit dem echten zu ersetzen. Die Hauptarbeit geht an den eleganten Walter, der als Schweizer präzise wie ein Uhrwerk den bombensicheren Coup austüftelt. Nicht nur seine unleugbare Herkunft wirkt anziehend auf Elizabeth - beide sind wohl ein wenig außergewöhnlich in ihren sexuellen Vorlieben, was in den 1960er Jahren natürlich nur mehr oder weniger vage angedeutet werden kann, etwa mit komplizierten Knoten, die  - höhö! - beim Pfadfinderlager erlernt wurden.

Der Coup wird von dem an der türkisch-griechischen Grenze lebenden Arthur Simpson (Peter Ustinov) unbeabsichtigt vereitelt, den sich das kinky Paar gemeinsam mit drei weiteren Beteiligten als neutralen Amateurdieb erwählt. Dummerweise fliegt er mit dem Gangsterwagen beim Zoll auf und soll fortan für den türkischen Geheimdienst spionieren, um zu beweisen, dass er keiner terroristischen Organisation angehört. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem der arme Arthur nicht nur einmal an die Grenzen seiner physischen und psychischen Belastbarkeit kommt.


"Vernünftig ausgeben. Zwei Packungen Klopapier, verstanden?"


Meinung: Lang lang ist's her, dass dieser Film zu meinen Top-Favoriten zählte, auch wenn er nach wie vor einen ganz eigenen Charme hat und - abgesehen von Mercouri, die mich in ihrer Penetranz wirklich genervt hat - bis in die Nebenrollen der türkischen Polizisten und Geheimagenten grandios besetzt ist. Die Bilder sind toll und atmosphärisch, teilweise erstaunlich historisch und fangen das Flair des Mittelmeerraums in der 1960ern ein. Fast wirken einzelne Szenen von der Bevölkerung und von maroden Häusern wie in einem alten Reisemagazin. Ein bisschen primitiv und angestaubt auch, nicht nur die Bilder, sondern auch die Methoden, mit denen der Geheimdienst seine Pflicht erfüllt. Ich musste schmunzeln, als Arthur vom Geheimdienst angewiesen wird, wie er seine Meldungen betreffs der Tätigkeit der Gangster übermitteln muss: in einer leeren Zigarettenschachtel, die er auf die Straße wirft und die dann von einem VW Käfer aufgesammelt wird. Da würde selbst der junge Connery-Bond den Kopf schütteln, oder? Sei's drum, es war irgendwie nett und garantiert wanzenfrei.

Ein Highlight ist natürlich die Szene des raffinierten Diebstahls, die minutenlang ohne Musik oder Dialog gedreht wurde. Da hält man als Zuschauer unweigerlich den Atem an und bangt mit Julio, der nicht nur aufgrund seiner athletischen Fähigkeiten ausgewählt wurde, sondern dem es zudem noch zum Vorteil gereicht, dass er stumm ist und somit nicht aufschreien kann, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Das war schon sehr clever und schweizerisch gedacht von Walter. Überführt werden die sympathischen Ganoven dann doch trotz aller Akribie und Arthurs widerwilliger Hilfe, nämlich von einem Spatz. Und so sagt der Geheimdienstchef Ali Tufkan beim Treffen mit der Bande mit einem süffisanten Grinsen, dass ihm ein kleines Vögelchen etwas gezwitschert hätte. Jetzt wissen wir, wo die Redewendung herkommt... (O;

Fazit und Bewertung: Früher habe ich "Topkapi" geliebt. Oft angeschaut auch, denn die Dialoge kenne ich selbst nach Jahren noch. Aber wenn ich ehrlich bin, hat sich mein Geschmack anscheinend ein wenig geändert, oder es war in der Tat *nur* Herr Schell, der meine Faszination für den Film ausgelöst hat. Kein Zweifel, der Film ist unterhaltsam und zu Unrecht mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Doch die Machart und die markigen Sprüche sind schon sehr speziell und nicht das, was man zeitlos nennen würde. Zumindest für mich schien der Film an einigen Stellen etwas altbacken, was aber auch daran liegen mag, dass es schon ewig her ist, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Trotzdem gebe ich gute



und einen halben obendrauf für den schmissigen Soundtrack und den originellen Abspann.


Bildquelle: Amazon



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