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Sonntag, 22. Januar 2017

Hannibal, die Serie (2013-2015)

Eine Weile hat es gedauert, bis ich mit "Hannibal" warm wurde. Trotz Mads Mikkelsen. Obwohl ich Serien nicht konsumiere, schaue ich mir gern welche an, da es - wie schön! - Fortsetzungen gibt. Wenn einem Figuren und Geschichte gefallen und zum Mitdenken und Interpretieren anregen, kann es (fast) nichts Unterhaltsameres geben.




Hannibal ist so eine Serie. Sie hat einige Gemeinsamkeiten zu "Sherlock", der allerdings für meinen Geschmack bereits in der dritten Staffel stark nachgelassen hat. Auch in Hannibal geht es um die Beziehung zweier Außenseiter, die voneinander nicht lassen können. Das Interessante für mich dabei sind weder die grotesken Fälle noch die inflationären Splatter-Elemente (durch die Hannibal Lecter gelegentlich seine Zuneigung zu FBI-Profiler Will Graham ausdrückt), sondern vielmehr der psychologische Aspekt, der schon allein durch Hannibals Beruf als ehemaliger Chirurg und praktizierender Psychologe gegeben ist. Doch ein Klient bringt seine kühle Professionalität ins Wanken: als Will Graham (Hugh Dancy), von seiner Arbeit beim FBI überfordert, bei Hannibal Therapiestunden nehmen muss, erkennt Hannibal einen Seelenverwandten in dem welpenhaft plüschigen, oft missverstandenen, aber um die Ecke denkenden Will, der sich selbst als Asperger-Autist beschreibt. Seine damit einhergehenden Fähigkeiten sind es, die das FBI auf ihn aufmerksam machten, da er ein hohes Maß an Beobachtung und Empathie besitzt und sich in die Denkweise eines Killers / Verbrechers hineinversetzen kann. Hannibal ist fasziniert.

Seine Faszination geht so weit, dass er eine Freundschaft zu Will anstrebt, die diesem gar nicht behagt - ahnt er doch als Einziger von Hannibals dunkler Seite, die ihn in fiebernden und wirren Alpträumen verfolgt. Er ist von dem charismatischen Psychotherapeuten wider Willen beeindruckt und unfähig, sich dessen manipulativem Einfluss zu entziehen. Wenn man Mads Mikkelsen seinen Hannibal spielen sieht, kann man ihm das auch kaum verdenken.

Nach außen hin kultiviert, elegant und souverän, besitzt Hanni-Mads eine Anziehungskraft, die er nicht nur bei Will skrupellos einsetzt, sondern bei allen, die ihm beim Erreichen seiner Ziele nützlich sein können. Anders als Will werden die übrigen Opfer allerdings selten bis gar nicht verschont.





Vielleicht ist die Serie hauptsächlich "Sick-Shit", mit den sehr kontroversen Themen und Gemetzeln, und bisweilen geht mir der übertrieben werbeästhetische Anspruch des Erfinders Bryan Fuller auf den Senkel und stiehlt Zeit, aber ganz ehrlich - "Hannigram" macht für mich die Serie sehenswert. Ich finde es recht mutig, eine solch ungewöhnliche Beziehung  in einer Fernsehserie zu porträtieren, selbst wenn es nie zu eindeutig körperlicher Intimität kommt. Mads Mikkelsen meistert die Gradwanderung vom unnahbaren Narzissten über den "antisozialen Gesellschaftsmensch" zum besitzergreifenden Welpen-Beschützer mit Bravour und einem unschlagbar charmanten Akzent.

In jeder Szene zwischen den beiden Männern flirrt die Luft vor Spannung. Es muss gar nicht viel passieren oder gezeigt werden, um zu verdeutlichen, dass es in Hannibal um eine zerstörerische Liebe geht, die keine Zukunft hat und die dennoch berührt, etwa wenn Hannibal zu epischen Klängen seine Gefühle für Will offenbart. Irgendwie tun einem dann beide leid, denn trotz Hannibals wüsten Neigungen bleiben sowohl er als auch Will nachvollziehbare Charaktere in ihrem Handeln.

Leider sieht es momentan für die Serie düster aus - die dritte Staffel war die vorläufig letzte, obwohl eine Miniserie nach den Motiven von Thomas Harris' "Das Schweigen der Lämmer" angedacht wird. Vielleicht war das Thema zu blutig-brisant und wurde zu ernst genommen, vielleicht haben sich viele Zuschauer geekelt (ich mich oft auch), aber ich hoffe sehr, dass es in nicht allzu ferner Zeit eine Fortsetzung gibt, in der beide Protagonisten das dramatische Finale überlebt haben.








Montag, 2. Januar 2017

"Nach der Hochzeit" (2006) Review

Dank dem sexy großen Dänen (nicht zu verwechseln mit dem alten Schweden!) Mads Mikkelsen sehe ich in letzter Zeit recht viele europäische Filme und stelle fest, dass man es in der alten Welt oft ebenso gut versteht, Filme zu drehen wie in der neuen. Besonders die ruhigen, tiefsinnigen haben es mir angetan, und "Nach der Hochzeit" ist mit Sicherheit einer davon. Er war mein Silvesterfilm, und das Kontrastprogramm zur Knallerei draußen bereits von Mitternacht hat mir irgendwie gut gefallen.




Die Handlung beginnt in Indien, was zunächst ein bisschen befremdlich wirkt. Jacob Petersen ist dort in einem Waisenhaus engagiert, in dem er von Kollegen respektiert und von den Kindern heiß geliebt wird (wen wundert's?). Seine Chefin überbringt ihm die Nachricht, er müsse für kurze Zeit zurück nach Dänemark, um dort einen Deal mit einem Multimillionär in Spenderlaune abzuschließen. Widerwillig tut Jacob, was verlangt wird, feiert doch sein besonderer Schützling in ein paar Tagen seinen achten Geburtstag. Doch was tut man nicht alles für eine großzügige Spende?

Als er in Dänemark ankommt, versteht Jacob die Welt nicht mehr: Scheinbar spontan wird er zur anstehenden Hochzeit der Millionärstochter eingeladen, die sich als Tochter seiner Jugendliebe und jetzigen Ehefrau des jovialen Jorgen herausstellt. Durch eine peinsame Rede während der Hochzeit wird Jacob klar, dass er der leibliche Vater von Anne sein muss. Wütend und um seine Rechte als liebender und treusorgender Vater betrogen, spricht er mit Helene, die ihm zu verstehen gibt, sie habe ihm die Schwangerschaft verschwiegen und einen anderen geheiratet, weil sie wusste, dass Jacob selbst sich nicht um das Kind kümmern würde.

Doch die Arbeit im Waisenhaus hat Jacob verändert, und er beginnt, sich für Anne zu interessieren, die ebenfalls ziemlich geflasht ist von ihrem neuen Papa. So sehr, dass Annes Ehemann aus Frust kurz nach der Hochzeit fremd geht. Und noch mehr Katastrophen bannen sich an: Jorgen, der philantropische Millionär, ist todkrank, hat es jedoch vor seiner Familie verschwiegen; genauso wie den Plan, den er mit Jacobs Rückkehr verfolgt...

Meinung: Ja, es stimmt, der Film klingt vorhersehbar. Ist er auch, wenngleich es ein mehr oder weniger offenes Ende gibt. Was ihn so besonders macht, sind die durchweg fantastischen und emotionalen Leistungen der Schauspieler (einzig auf die melodramatische Szene, in der Jorgen von seinem Elend übermannt wird, hätte ich gern verzichtet) und die vielseitigen Talente von Mads Mikkelsen. Egal, ob er verletzt guckt, mit seiner Filmtochter in inniger Umarmung das Tanzbein schwingt oder beleidigte Achtjährige tröstet: der Mann veredelt jeden mittelmäßigen Streifen, ob europäisches Autorenkino oder Megablockbuster. Und mittelmäßig ist "Nach der Hochzeit" auf keinen Fall.




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