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Mittwoch, 19. November 2014

Abschied ist ein scharfes Schwert...

... das wusste bereits Roger Whittaker, der Schmusebarde aus Südafrika, der seine deutschen Schlager phonetisch lernte. Aber wo er Recht hat, hat er Recht, denn nicht selten sind die Binsenweisheiten von Schlagern direkt aus dem Leben gegriffen.

Nicht nur persönliche Abschiede sind scharfe Schwerter. Manchmal ist es der Verzicht einer Gewohnheit, eines Rituals, die Veränderung einer Lebenssituation, die uns wehmütig aufseufzen und in nostalgischen Erinnerungen verharren lassen. Zum Glück ist der Mensch in der Regel flexibel und sucht sich nach einem solchen Einschnitt und Verlust nach dem Wundenlecken neue Freunde, Partner und Gewohnheiten, so dass der Abschied des Alten nach einer gewissen Zeit nicht mehr gar so schmerzhaft ist.

Schriftsteller sind da keine Ausnahmen. Obwohl ich das "Method Acting" unter Schauspielern eher lächerlich finde und keineswegs gesund oder lobenswert, könnte ich mich wohl unguten Gewissens als "Method Author" bezeichnen. Ich liebe meine erschaffenen Protagonisten, leide mit ihnen, wenn es ihnen schlecht geht, und freue mich, wenn sie glücklich sind und ihre Geschichte einen guten Verlauf nimmt, den sie verdient haben. Manchmal ertappe ich mich sogar dabei, wie mich beim Schreiben einer traurigen Szene ein Kloß im Hals würgt oder ich mich emotional kaum abschotten kann von dem, was in meinem Kopf und auf dem Rechner vor sich geht.

 Aber es ist nicht nur das. Jeder Schriftsteller sollte sich schließlich in seine Charaktere hineinversetzen können bzw. mit ihnen sympathisieren, oder sie zumindest einigermaßen verstehen.

Bei mir ist es so, dass mir mitunter meine Figuren derart ans Herz wachsen, dass ich die Geschichte (von der ich weiß, dass es keine Fortsetzung geben wird) ein wenig hinauszögere, um dasselbe mit dem unausweichlichen Abschied zu tun. Ich kann mich erinnern, dass mir die Protagonisten vom "Bildnis des Grafen" die Trennung ganz und gar nicht leicht gemacht haben. Wenn man sich über zwei Jahre mit einer Sache so intensiv befasst, fehlt einem plötzlich etwas, das mit Worten kaum zu beschreiben ist.

Ist es nicht dennoch ein bisschen albern, um fiktive Charaktere zu trauern, weil mit dem letzten Kapitel ihre Geschichte erzählt ist? Vielleicht. Und trotzdem hat man so viel erlebt mit seinen Figuren, hat sie durch schwere Zeiten geschickt, und nicht immer gab es für alle ein Happy End. Wer kann es einem Autor verübeln, seine *Geschöpfe* zu vermissen und eine heimliche Träne zu vergießen, wenn schon Millionen Zuschauer von Jack und Rose derart gerührt waren, dass sie mit rotgeweinten Augen aus dem Kino strömten?




Je länger ich mich mit etwas beschäftige, desto schärfer ist das Schwert, wenn der Abschied naht. Dieses Phänomen kennt sicherlich jeder aus Erfahrung, doch für einen Autor, der Welten erschafft, die von Personen bevölkert werden, die ebenfalls von ihm mit Eigenschaften und Biografien ausgestattet werden, ist es fast noch schwerer, Liebgewonnenes loszulassen. Natürlich freut man sich auf den fertigen Roman, ist happy, wenn man das eigene Werk in Händen hält. Meist überwiegt auch die Freude daran und lässt einen vergessen, wie schwer der Abschied nach dem Schluss-Satz fiel. Immerhin kann man seine Figuren ja immer wieder besuchen, indem man das Buch aufschlägt (merkwürdigerweise ist das bei mir eher selten der Fall).

Und früher oder später laufen einem neue Gesichter über den Weg respektive in den Kopf. Neue Ideen und neue interessante Figuren, die etwas erzählen, sich zum Leben zwischen den Seiten erwecken lassen möchten. Und später ein erneuter Abschied.



Sonntag, 9. November 2014

Fazit Leserunde und Rezension "Haus der Geister" / This House is Haunted von John Boyne

Selten habe ich mich bei einer Leserunde so rege beteiligt wie an dieser, und zugleich so viel Frust mit dem Buch gehabt. Insofern muss John Boyne doch etwas richtig gemacht haben, denn wenn ein Roman für kontroverse Diskussionen sorgt, kann er so schlecht nicht sein, zumal sich der Großteil der Teilnehmer - wenn schon nicht gegruselt - dann doch gut unterhalten hat.




Mit gutem Willen und in schauriger Erwartung habe ich angefangen, um schon nach wenigen Kapiteln festzustellen, dass mich die Geschichte aufgrund ihrer Unoriginalität und Vorhersehbarkeit nicht fesseln konnte. Das war sehr schade, denn ich finde, dass John Boyne originell schreibt und für mich auch ein Autor ist, der es wagt, auf gute Art Regeln zu brechen. Die wenigen, die er in seiner "Schauergeschichte" gebrochen hat, sind m. M. nach ordentlich misslungen und der Schuss nach hinten losgegangen.

Was seine Ich-Erzählerin Eliza Caine (Insider-Referenz an Hugh Craine, den Schlossbesitzer aus "Bis das Blut gefriert") im Jahre 1867 in London und Norfolk als Gouvernante zweier zunächst offenbar elternloser Kinder erlebt, habe ich in den diversen Filmen besser umgesetzt gesehen, von denen sich Boyne "inspirieren" ließ. Miss Giddens, Miles und Flora lassen grüßen.

Seine gruseligen Elemente (oder die, die es sein sollen) wirken plakativ und Hollywood-mäßig effekthascherisch, und sind nicht selten unfreiwillig komisch. Etwa die Hände, die Eliza herumwirbeln, sie des nachts unter die Bettdecke zerren und natürlich der von den  Baskervilles ausgeliehene geifernde schwarze Hund am Strand von Great Yarmouth, der es auf sie abgesehen hat.




Atmosphärisch und mitunter witzig geschrieben ist das Buch immerhin, doch mir reicht das nicht, wenn ich eine spannende und Gänsehaut erzeugende Story lesen will und auf Grusel eingestellt bin. Und dabei ist doch auf der Rückseite des Buches von "unexpected twists" die Rede, auf die ich so sehnlichst gewartet habe. Überraschungen? Knifflige Rätsel? Pustekuchen. Alles nach Plan und wie erwartet. Unwichtige Details wie geisterhaft erscheinende Kinder auf dem Friedhof werden dabei so aufgeblasen, dass man meint, man müsse sie für eine spätere Auflösung im Hinterkopf behalten, doch sie versanden im Nichts und lassen mich als Leser mit einem Gefühl der Vera****e zurück.

Ein recht großer Fauxpas waren einige heikle, sensible und populistische Themen, die in einer klassisch altmodischen  Schauergeschichte einfach nichts verloren haben, wie ich finde. Regelbruch hin oder her. Ich hätte einem renommierten Schriftsteller zugetraut, auf weniger billige Plot-Devices zurückgreifen zu müssen.

Die Charaktere blieben ohne Tiefe, und es war mir nicht möglich, zu irgend jemanden in der Geschichte eine Verbindung herzustellen oder etwas zu empfinden, außer Mitleid für den Geist und den dahinvegetierenden Gatten in der Geheimkammer. Das Ende - angeblich ein Feuerwerk an Originalität - mag für Neueinsteiger in das Genre gewaltig sein, ich fand es eher klischeebeladen.

Besonders - Achtung Spoiler! - die Tatsache, dass Satina ihren Mann nur deshalb beim Schürhaken-Attentat verschont hat, um in der Zwischenwelt bleiben zu können und den Gouvernanten eins auszuwischen, war zwar originell, aber fast *zu* haarsträubend. Welcher Mensch sieht schon voraus, in welcher Welt er nach dem Tod landen wird und welche Fähigkeiten er dann hat? Oder ob er überhaupt dort ankommt? Vielleicht aber war Santina überhaupt nie ein Mensch, sondern eine Kreatur der Untoten, die zufällig einen Engländer geheiratet hat?

Das Positive am Buch waren Kapitel 13, bei dem mir tatsächlich ein Schauer über die Arme lief, und die Leserunde. Ich mochte sie sehr, denn trotz verschiedener Meinungen hatten alle viel Spaß und waren mit Eifer bei der Sache; etwas, das gerade bei Online-Veranstaltungen nicht selbstverständlich ist. Am liebsten würde ich mit denselben Leuten noch einmal eine Buchbesprechung starten - eine, in der ich mit nicht ständig als Spaßbremse outen müsste, die mit ihren Vermutungen die gesamte Handlung verrät.

Bewertung:
 
und ein halber dazu




Dienstag, 4. November 2014

The Flight of The Phoenix ~ Der Flug des Phoenix (1965)

Als Eigentum der Tochter eines Ex-Segelfliegers und Modellbauers hat dieser Film jeden Aussortierungsrappel überlebt, der mich zuweilen bezüglich meiner DVD-Sammlung befällt. Neulich habe ich ihn wieder zum gefühlten hundertsten Mal angeschaut und festgestellt, dass er einfach nicht langweilig wird. Viel sagen muss man zu "Der Flug des Phoenix" eigentlich nicht, außer dass man das schwache Remake von 2004 tunlichst vermeiden sollte.^^




Im Original von 1965 gibt sich jeder die Klinke in die Hand, der damals Rang und Namen hatte in Hollywood, angeführt von einem großartig knurrigen James Stuart aka Captn. Frank Towns, der im Privatleben tatsächlich den Pilotenschein besaß. Eine wahnsinnstolle und oscarreife Vorstellung liefert Hardy Krüger ab, der den Deutschen Heinrich Dorfmann mit erstaunlich akzentfreiem Englisch verkörpert und sich auch nicht zu schade war, die eine oder andere "Nazi-Spitze" des Drehbuchs stoisch zu ertragen - nur nicht den Spott darüber, dass er "Spielzeugflugzeuge" konstruiert.

Inhalt: Schon lange ein Klassiker, erzählt "Der Flug des Phoenix" die Geschichte einer Gruppe unterschiedlichster Männer, die unvermutet mitten in der Sahara strandet und in einem Zeitalter ohne Smartphone scheinbar dem sicheren Tod geweiht ist. Captn Towns, ein verantwortungsvoller und aufrichtiger Pilot, kommt nur schwer über den Verlust der Leben hinweg, die der Absturz fordert, und auch für die Verletzten und weiteren Opfer der Wüste fühlt er sich verantwortlich. Doch es geht darum, so lange wie möglich zu überleben und auf Hilfe zu hoffen. Anfangs sind sich alle Männer nicht wirklich grün und auf ihren eigenen Vorteil bedacht, aber im Lauf des Films erfahren sie trotz Meinungsverschiedenheiten Solidarität durch das gemeinsame Ziel, ihrem Schicksal zu entrinnen.

Der Konstrukteur Dorfmann weist sie an, das Flugzeug auseinanderzubauen und zu einem leichteren, flugfähigen Modell umzugestalten. Er erwähnt jedoch nicht, dass er Designer von Modellflugzeugen ist und keine Ahnung von "wirklichen" Flugzeugen hat. Keiner fragt ihn schließlich danach, und jeder tut das, was er anordnet, mehr oder weniger widerwillig. Ein Sympathieträger ist der besserwisserische Dorfmann in der Nachkriegszeit nämlich ganz und gar nicht.

Viel Dialog gibt es nicht im Film, auch keine Liebesgeschichte, keine Erotik und keine Actionszenen, und dennoch ist er etwas Besonderes mit seinen vielschichtigen, eigenwilligen Charakteren und den Landschaftsaufnahmen der Wüste. Etwas so Besonderes, dass man unweigerlich in die Hände klatschen und mitjubeln möchte, wenn Captn Towns im engen Cockpit des "Phoenix" Platz nimmt und die Patronen zündet, die das umgestaltete Flugzeug nach einer kurzweiligen Überlänge von zwei Stunden zum Abheben bringen und die um ihn herumstehenden Männer johlen und vor Erleichterung fast in Ohnmacht fallen.




Fazit: Von den Bildern und der Musik erinnert "Der Flug des Phoenix" ein bisschen an den anderen monumentalen Wüstenklassiker "Lawrence von Arabien", doch das ist kein Manko, zumal die Geschichte eine völlig andere ist. Eine sehenswerte, auf jeden Fall. Packend, dramatisch, psychologisch und charmant zeitgemäß. Und er zeigt, dass Vorurteile falsch sind, Individualismus belohnt wird und Unmögliches möglich ist, wenn man nur daran glaubt.

Ein Spitzenfilm mit überzeugenden Darstellern und atemberaubenden Szenen. Nicht nur für Modellbauer eine Empfehlung.

Bewertung: