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Freitag, 30. September 2022

Theo Thede - Eine Geschichte über die einzigartigen Träume und Talente in jedem von uns ~ Martin Hahn / Franziska Vinzis

 Aufmerksam geworden bin ich auf dieses wunderschön gestaltete Bilderbuch durch die Illustratorin Franziska Vinzis, mit der ich auf Facebook verbunden bin. Ich fand das Cover und die Zeichnungen so entzückend, dass ich es gleich bestellt habe. Am nächsten Tag konnte ich es in meiner örtlichen Buchhandlung abholen und war total fasziniert von der ornamentalen Goldumrahmung. Auch die Geschichte von Theo berührt und macht nachdenklich. Guter Gesprächsstoff für Klein und Groß.



 

Inhalt: Der kleine Junge Theo Thede lebt im Land der Tiere bei Familie Wombat. Das Elefantenmädchen Emma ist seine beste Freundin. Sie will Malerin werden und ihre Bilder verkaufen. Theo ist beeindruckt, weiß er doch selbst nicht, was er später einmal machen soll. Alle um ihn herum scheinen zu wissen, was sie gern tun, was sie begeistert und wo ihre Talente liegen. Als ihm bewusst wird, dass er so gar keinen Plan für sein Leben hat, lässt er erst mal den Kopf hängen. Da kommt der weitgereiste Eisbär Onkel Thede zu Besuch. In einem Gespräch mit ihm erkennt Theo, dass Samen säen wohl auch ein Talent ist - und das macht er doch wirklich sehr gern! Er liebt es, zu säen und zu beobachten, wie die Samen durch sein Zutun groß und zu wohlschmeckenden Früchten werden. In der Nacht darauf hat er einen Traum von einem Acker mit einem Schatz darauf, den er fortan entschlossen ist, zu suchen und zu heben. Auf seiner Reise durch die Welt besteht er Gefahren, begegnet vielen Tieren, einem Hirten mit einem Buch und stellt fest, dass auch die kleinen Dinge groß werden und andere glücklich machen - etwa der köstliche Honig die Bären, die dafür aus allen Teilen der Erde angereist kommen und geduldig Schlange stehen, um ein Töpfchen zu ergattern. 

 


 

Meinung: Ich würde die Geschichte für Kinder im Schulalter ab ca. acht Jahren empfehlen, denn sie ist schon sehr komplex, in manchen Bereichen speziell, zieht Parallelen zum aktuellen Hype der sozialen Medien und wirft Fragen auf. Wer ist der Hirte, der Theo aus den Fängen des Schakals der Dunkelheit rettet und ihm verspricht, seine Bestimmung zu finden? Was ist das lebendige Wasser in der Wüste? Da ist auch Wissen der Eltern gefragt. 

Mich selbst hat Theos Reise begeistert, was vor allem an den liebevollen Zeichnungen lag. Die Symbolik in vielen beschriebenen Szenen lohnt es, ergründet zu werden, denn gerade das macht "Theo Thede" zu einem anspruchsvollen Kinderbuch. 

 



Was die Frage der Bestimmung und den Begabungen angeht, hatte ich zunächst ein bisschen Schwierigkeiten (dieser Artikel gibt Aufschluss darüber, weshalb). Doch nachdem ich länger darüber nachdachte, war klar, dass Theo ebenfalls nie daran dachte, etwas Großes, Weltbewegendes auf die Beine zu stellen. Dass es sich später so entwickelt, ist einzig seiner auf den ersten Blick "banalen" Freude zu verdanken, etwas wachsen zu lassen. Mithilfe des Hirten und dem Buch, das dieser ihm als Ratgeber mit auf den Weg gibt, gelingt es Theo, Großes zu bewegen. Er schließt Freundschaft mit dem fremden Mädchen Marie und kann gemeinsam mit ihr noch Größeres bewirken. All das ergibt sich erst im Laufe seiner Reise. 

Genauso ist es auch im richtigen Leben: Gemeinsam ist man stärker und kommt zum Ziel. Vielleicht nicht auf geradem Weg, aber wenn man unbeirrt bleibt und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lässt so wie Theo, dann hat jeder etwas von dem, weswegen man auf der Erde ist. Mit Leistung hat es nichts zu tun, wie das schöne, altbekannte Beispiel am Anfang des Buches zeigt, als es um die Versetzung in die nächste Klasse geht. Da taten mir alle leid, die keine Affen waren - sie bleiben buchstäblich sitzen und haben keine Chance auf ein Vorwärtskommen, obwohl sie ihr Bestes gegeben haben, der Aufgabe zu entsprechen. 

Nein, das, was man gut kann, ist es, was dich und andere weiterbringt. 

Theos Botschaft finde ich sehr wichtig. Ich werde das Buch allein schon wegen dem schönen Einband und der Zeichnungen in Ehren halten und auch gern verleihen. 

Zu beziehen ist das Buch direkt bei Entfalt-Media oder über den Buchhandel. Eine klare Empfehlung für Geburtstage und Weihnachten!

 

Bewertung: 💫💫💫💫💫

 

Dienstag, 20. September 2022

Queen Elizabeth und ich...

 ...haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Ich bin nicht einmal Fan der königlichen britischen Familie und interessiere mich weder für ihre Skandälchen noch für einen Prinzen. Der trotz ihrer 96 Jahre doch relativ unerwartete Tod der Queen am 8. September hat mich dennoch erschüttert. Tatsächlich habe ich am nächsten Tag auch ein bisschen geweint und getrauert, als ich es habe sacken lassen. 

 

 

Warum mich ihr Tod so traurig gemacht hat, konnte ich nicht einmal genau sagen. Viele, die wie ich nicht britisch, extrem anglophil und / oder Fans der Monarchenfamilie sind, meinen, es läge daran, dass sie eben immer da war. Man kennt es nicht anders, und das ist ungewohnt und verursacht Unbehagen. Auch auf nichtbritischem Boden. Sicher mit ein Grund. Siebzig Jahre als Staatsoberhaupt sind eine lange Zeit. Aber ich fand noch einen zweiten Grund, der für mich persönlich mehr Gewicht hat. Obwohl ich wie erwähnt kein Fan bin, mochte ich die Queen und ihren verstorbenen Ehemann Prinz Philip schon zu deren Lebzeiten, wobei Prinz Philip mit seinem skurrilen Humor, der oft politisch unkorrekt gefärbt war (vermutlich ohne böse Absicht), noch einen Tick cooler wirkte als Elizabeth. 

Während seiner Beisetzung unter Corona-Auflagen letztes Jahr sah man die Queen ganz allein in der Loge sitzen, und ich dachte mir, dass - obwohl man ihr von außen nichts anmerkte - sie ihn bestimmt sehr vermissen wird. Er war derjenige, der alles mit ihr geteilt hat, buchstäblich immer hinter ihr stand und sie zum Lachen gebracht hat. Diese unverbrüchliche Treue und Liebe waren etwas, das mich sehr beeindruckt hat. Man stellt sich die Engländer immer ziemlich distanziert vor, und als Königin und Prinzgemahl haben Elizabeth und Philip in der Öffentlichkeit ja auch selten bis nie Gefühle gezeigt. Trotzdem hatten sie wohl viele gemeinsame Interessen (z.B. Dudelsackklänge, Hunde und Reiten) und waren ein eingespieltes Team, das viel gemeinsam erlebt und gemeistert hat.

 


Und was vielleicht am wichtigsten ist: Sie nahmen sich selbst nicht so ernst oder wichtig wie andere Königsmitglieder, die durch die Regenbogenpresse geistern. 

Was nicht das Verdienst der Queen schmälert, mit ganzer Kraft ihrem Volk gedient zu haben. Irgendwie scheint sie jeden angesprochen zu haben, von Working Class bis Upper Class, selbst im nun bröckelnden Commonwealth hatte sie Respekt, und sie hat es schon als junges Mädchen vor ihrer Zeit als Regentin verstanden, den Briten in Krisenzeiten Mut zu machen. Davon sollten sich die Politiker mal eine Scheibe abschneiden, die aktuell die schlimmsten Horrorszenarien orakeln. 

Es lag wohl an ihrem Glauben, dass Queen Elizabeth eine so imponierende und würdevolle Persönlichkeit war, die zwar nie Interviews gab, aber immer für Versöhnung, Zusammenhalt und Unerschütterlichkeit stand. Ein Fotograf meinte, sie habe von innen heraus gestrahlt und jeden Raum erhellt, den sie betreten hat. Menschen wie sie werden fehlen in zukünftigen Generationen. Menschen, die tatkräftig und entschlossen sind und dabei warmherzig, freundlich, demütig und humorvoll bleiben. Ganz ehrlich, ich gebe es zu: viel wusste ich nicht über diese kleine große Frau, bis ich ein paar Dokumentationen anlässlich ihres Todes gesehen habe, nach denen ich das Bedürfnis hatte, mich voller Sympathie und in stiller Ehrfurcht zu verneigen. 



Für meine Tränen habe ich mich nicht geschämt, nachdem mir klar wurde, dass es so bald keine zweite Queen mehr geben wird - eine Queen, die mir trotz ihrer anerzogenen Etikette zutiefst mütterlich und menschlich erschien und das Beste aus ihrem Monarchendasein gemacht hat. 

Und wie Paddingtonbär möchte ich sagen: "Thank you, Ma'am. For everything."

 







Donnerstag, 15. September 2022

Milan ~ eine Leseprobe

Eine meiner ersten Geschichten war "Milan", welche die Beziehung zwischen einem erfolgreichen Theaterregisseur und seiner wesentlichen jüngeren Partnerin beleuchtet.
Sie ist ein wenig bis ziemlich altmodisch, da sie in den 1970er angesiedelt ist; ein Jahrzehnt, in dem Frauen erstmals gegen ihre Rolle als Vollzeit-Mama und Hausfrau aufbegehrten, Selbstverwirklichung suchten und die erste Ausgabe der "Emma" erschien. Und weil die Erzählerin alles andere ist als selbstbewusst. In ihren frühen Zwanzigern, macht sie sich viele Gedanken und lernt mit Milan, ihre traumatische Kindheit aufzuarbeiten. Die beiden haben ein recht ambivalentes Verhältnis; sie ist nicht einmal sicher, ob sie ihn liebt oder nur braucht, um sich weiterzuentwickeln auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Was sie über sich und Milan herausfindet, lässt sie weitere Schritte gehen, die sie zu Beginn ihrer Beziehung nicht gewagt hätte.
 
 

 


Obwohl "Milan" mit 236 Seiten eher eine Kurzgeschichte ist, erlebt die Ich-Erzählerin Höhen und Tiefen an der Seite ihres rätselhaften, aber unerschütterlichen Liebhabers und Mentors.

Hier kommt die Leseprobe (diesmal ohne Jump Break, da sie relativ kurz ist). Für moderne Ohren klingt sie wahrscheinlich ein bisschen sexistisch von Milans Seite und blondchen-naiv von Seiten der jungen Frau. Doch ich versichere, zumindest Milan ist nicht so, wie es scheint.


***


Er bleibt immer ein Rätsel, er hat keine Geschichte in dem Sinn wie ich eine habe, ich glaube, niemand kennt ihn wirklich, nicht einmal Maria. Die Sache mit Frederic ist alles, was ich von ihm weiß, wirklich weiß, alles andere haben Leute zusammengedichtet, die ihm nur flüchtig auf der Straße begegnet sind, die ein liebenswürdiges Grüß Gott mit ihm gewechselt haben, um sich hinterher verstohlen anzuschubsen: War das nicht-?

Ich kenne weder seine Vergangenheit noch seine Ziele, vermuten kann ich viel, aber die führen nicht zum gegenseitigen Verständnis, wahrscheinlich versteht keiner von uns beiden den anderen, wobei Milan der größere Heuchler ist. Ich gebe mir schon gar keine Mühe mehr, ihn zu verstehen. Doch ich will wissen, warum er mich fesselt, und was würde ich tun, falls er mich gehen lässt. Bin ich nicht im Gegenteil froh darüber, von ihm beherrscht zu werden? Jemanden zu haben, der über einen wacht, der aufpasst, dass man keine Fehler macht, und wenn doch, einen tröstet in der Not? Muss jede Beziehung nicht darauf hin wachsen, nicht umsonst heißt es in der Bibel "Die Frau sei dem Mann Untertan". Oder ist es altmodisch, deute ich es falsch? Wie denkt Milan darüber? Bei nächster Gelegenheit werde ich ihn fragen.

Milan: Wie kommst du jetzt wieder darauf, ich habe jetzt wirklich keine Zeit, ich muss dieses Buch zu Ende schreiben, vielleicht ein andermal -
Ich: Aber es steht dort ganz klar, dass die Frau sich dem Mann unterordnen soll. Ich kann das einfach nicht glauben, gerade in unserer Zeit -
Milan: Meinetwegen schließ dich der Frauenbewegung an.
Ich: Das ist nicht, worauf ich hinauswollte; ist es zuviel verlangt, zu fragen, was du davon hältst?
Milan: Der liebe Gott wird seine Gründe gehabt haben, dieses Gesetz zu erlassen. Ich maße mir nicht an, klüger zu sein als Gott.
Ich: Also hat es noch Gültigkeit für dich?
Milan: Du musst zugeben, es ist kein schlechtes Gesetz für die Männer. Es würde mich interessieren, warum dich das beschäftigt.
Ich: Ich habe viel Zeit, viel mehr als ich bräuchte, da ist es mir doch wohl erlaubt, mich mit unnützen Dingen zu befassen.
Milan: Wer spricht denn von unnützen Dingen, ich finde es gut, dass du dir Gedanken machst, aber musst du ausgerechnet jetzt darüber debattieren?
Ich: Willst du mich behalten?
Milan: Ich halte dich nicht. Ich halte niemanden.
Ich: Dann lasse ich mich halten von dir.
Milan: So wird es wohl sein.

Was ist so schlimm daran, Geborgenheit zu suchen, ist es verachtenswert, sich auf andere zu stützen, schwach zu sein, manchmal still in den Armen des anderen zu weinen, sei es aus Freude oder Unglück. Ich schäme mich nicht mehr meiner Tränen, er nimmt sie gelassen hin, doch begreift sie nicht, er ist eben anders. Unsere Gespräche bringen mich fast immer zum Weinen, ich weine mit oder ohne Tränen, doch jedes Mal enden sie schmerzlich, jedes Mal lässt er mich in eine Leere fallen, aus der es kein Entrinnen gibt. Doch ich will nicht ungerecht sein, denn er ist der einzige, dem ich alles anvertraue, niemandem sonst könnte ich erzählen, was ich ihm erzählt habe, und von niemandem sonst könnte ich mich ohne Vorbehalte berühren lassen.


xxolaxx / Pixabay