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Freitag, 13. Juli 2018

Artussagen ~ Waldtraut Lewin

Dieses Buch habe ich während meines diesjährigen Münchenaufenthalts gekauft, da es mir zufällig in der Jugendbuchabteilung vom Hugendubel in die Hände fiel. Aufmerksam wurde ich darauf schon vorher, allein deshalb, weil ich gerade sehr von den Tafelrundenrittern um den charismatischen Artus Pendragon fasziniert bin. Folglich blieb mir gar nichts anderes übrig, als es zu schnappen und zur Kasse zu gehen.



Obwohl es eindeutig für jüngere Leser gedacht ist, hat mir der Crashkurs in Sachen Artus gut gefallen. Waldtraut Lewin bezieht sich in ihren Erzählungen auf die gebräuchlichsten Varianten der Abenteuer und Familientragödien von Edelmännern und Burgfräuleins. Der mehr sachliche und kurz gehaltene Stil hat mich anfangs etwas irritiert, doch nach all den anderen Romanen, die ich zum Thema gelesen habe und immer noch lese, trug er dazu bei, die Geschichte in Gänze zu verstehen, die sich im Lauf der Jahrhunderte mehrfach - je nach Gutdünken und Phantasie des Autors - gewandelt hat. Und das ist auf knapp 350 Seiten große Kunst.

Lewins Erzählung gliedert sich in Artus' skrupelloser Zeugung durch Uther Pendragon und Morgaine, seinem Verhältnis zu seinem "Milchbruder" Kay, der Erziehung durch den Zauberer Merlin und seiner verantwortungsvollen Jugend, in der er nicht immer der besonnene Herrscher und König ist, der er später sein wird. Da traten für mich tatsächlich noch einige Überraschungen zutage, zum Beispiel die, wie er an das legendäre Excalibur gelangt und es in jugendlichem Leichtsinn wieder verliert, um mit einem neuen Schwert seinen Ruhm anzutreten. Auch seine Halbschwestern Morgause und Morgan finden ihren Platz und werden geschickt in die doch recht komplexen Familienverhältnisse eingewoben. Als Artus fünfzehn ist, erfüllen sich Merlins düstere Prophezeiungen, denn er schläft mit Morgause, die ihn mit ihrem Zauberbann belegt (oder es zumindest vorhat) - eine Blutschande, die sich sechsundzwanzig Jahre später bitter rächen wird. Überhaupt der Sex - der war erstaunlicherweise recht unverblümt für ein Jugendbuch. Vielleicht bin ich da aber auch nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Recht lustig und fast grotesk sind im Mittelteil die Abenteuer (Aventurien) meines Lieblings Gawain und Lancelot. Ich dachte bisher immer, "Die Ritter der Kokosnuss" sei ein typischer Monty Python-Streich, aber scheinbar geht es in den britischen Sagen wirklich so absurd zu. Ersterer muss nämlich gegen ein angriffslustiges Bett und einen Löwen kämpfen, um vierhundert Jungfrauen zu befreien, und der schöne und unbesiegbare Lancelot landet versehentlich sogar mit einem Mann im Schlafgemach. Seine wahre Liebe gilt allerdings natürlich Guinevere, Artus' bildhübscher Gattin. Auch diese Tatsache trägt zum Untergang von der Vision Artus' eines vereinigten Britanniens bei, denn sein Sohn Mordred wiegelt das getreue Volk gegen die Menage à trois auf, die ein offenes Geheimnis ist. Bald kann Artus nicht mehr die Augen davor verschließen und muss handeln - leider zu spät. Doch im Gegensatz zu Mordred, Gawain, Lancelot (der sein eigenes Grab sehen wird - eine zweifelhafte Ehre!) und Guinevere bleibt er nach dem Chaos im Land unauffindbar und damit unsterblich.

Prawny / Pixabay

Fazit: Ein gelungener Roman für groß und klein über einen sympathischen Herrscher und seine Gefolgsleute, der das frühe Mittelalter jugendgerecht und doch erfrischend universell aufbereitet. Gut auch, dass ich endlich weiß, was die Suche nach dem Heiligen Gral bedeutet und warum sie von Lancelot und Artus, einem doch recht pragmatisch denkenden Mann, dennoch ins Leben gerufen wurde. Ein bisschen schade fand ich, dass Artus letztlich an sich zweifelt und sich als Versager fühlt, weil er den Erwartungen, besonders seinen eigenen, nicht gerecht wurde und auch viele Fehler begangen hat, die er sich nicht verzeiht. Allerdings gibt es in der Legende nun mal kein Happy End, auch wenn Waldtraut Lewin nicht selten einen humorvollen Ton anschlägt.

Ein Muss für jeden, der die Artus-Sage knackig und trotzdem lückenlos serviert bekommen möchte. Und das Cover ist klasse, dafür gibt's noch einen Bonus-Stern!

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