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Dienstag, 30. April 2013

Bekenntnisse eines verhinderten Hoarders

Früher habe ich alles gesammelt: Briefmarken (kennt das antiquierte Hobby überhaupt noch jemand?), scheußliche Mini-Plastikfiguren aus dem Kaugummiautomaten, Abziehbilder für Panini-Alben, Fliegenpilze aus Polyresin, schöne Postkarten, Briefe, Setzkastenutensilien und Katzenfiguren aus aller Herren Länder. In letzterem habe ich es tatsächlich zu einer beachtlichen Sammlung gebracht. Ich liebe Katzen, und es war immer sehr aufregend, am Urlaubsort auf Souvenirsuche in Form einer Katzenfigur zu gehen. Obwohl ich schon lange keine Fernreise mehr gemacht habe, ergreift mich in jedem Nippesladen einer fremden Stadt das Jagdfieber. Besonders originelle Exemplare schaffen es meist auch tatsächlich in meine Vitrine, die bald aus allen Nähten platzt.




Aber eigentlich möchte ich mich von meinen materiellen Gütern ein wenig befreien. Das liegt nicht nur daran, dass man Geld nicht mehr so sorglos ausgibt wie zu besseren Zeiten. Manchmal empfinde ich zuviel Besitz als Ballast. Und trotzdem ist er eine zweischneidige Sache, der Besitz.

Als ich aus dem Elternhaus auszog, habe ich viel zurückgelassen und weggeworfen, um das es mir heute leid tut. Klar, das Sammeln von Erfahrungen, Erkenntnissen und Erlebnissen ist wichtiger. Es ist auch nicht so, dass ich jeden Tag der Vergangenheit nachhänge und mich schmerzhaft an meinen BubuBär und seine abgekauten roten Plastikohren erinnere. Was aber nichts daran ändert, dass mir gewisse Erinnerungsstücke aus meiner Kindheit gelegentlich fehlen. Ich möchte sie nicht festhalten, aber auch nie ganz verlieren. Dabei helfen mir Fotos und sichtbare Gegenstände mehr als Erinnerungen, die mit der Zeit verblassen.

Von anderen Dingen, die mich nicht so lange begleitet haben, trenne ich mich dagegen erstaunlich leicht. Nach meinem zweiten Umzug hatte ich noch größere Wegwerfwut und habe sozusagen Großreine gemacht (wie immer man das schreibt). Ich finde allerdings, dass heuer viel zu viel zu schnell weggeworfen wird. Warum sollte man aber auch eine Kaffeemaschine zur Reparatur bringen, wenn die Anschaffung einer neuen billiger ist? Ich habe gehört, dass manche Hersteller ihre Ware absichtlich für eine kurze Lebensdauer präparieren, um größeren Profit zu machen. Wundern tut es mich ja nicht - ich frage mich bloß, warum dagegen nichts unternommen wird. Ehrlich: der Gedanke, dass wir der Nachwelt einen kilometerhohen Plastikberg hinterlassen statt kunstvoll bemalte und emailierte Krüge wie die antiken Völker, ist schon ein bisschen creepy. Der einzige Trost dabei ist, dass Plastik vermutlich nicht ganz so lang überdauert wie die Gerätschaften der Ägypter, Griechen und Römer.

Umweltbewusstsein wird im Allgemeinen eh nicht großgeschrieben bei den meisten, und derjenige, der zur Reparatur geht, wird milde belächelt mit dem Ratschlag: "Sei doch nicht blöd und geh' zu *piep* - da gibt's die Flachbildschirme diese Woche im Angebot." Apropos: ich habe noch einen Röhrenfernseher, mit dem ich genug sehe. Will ich HD, mit dem ich mit Adleraugen jede Pore im Gesicht der Schauspieler erkenne? Nicht wirklich.

Klamotten - ein heikles Thema. Ich war nie übermäßig modebewusst. Natürlich hat man das getragen, was gerade in den Kaufhäusern angeboten wurde, aber wohl musste ich mich darin fühlen. Bis heute habe ich keine Schuhe mit Absätzen, obwohl ich es versucht habe und High Heels auch sexy finde. Nur leider nicht für mich. Es gibt Lieblingsstücke in meinem Kleiderschrank, die ich nur noch selten oder gar nicht trage, und die dennoch da hineingehören. Die selbstgenähte Weste und dazu passende Shorts aus dem Israel-Urlaub. Das viel zu große, gestreifte Herrenhemd, in dem ich eine Adamo-Imitation zum besten gab und dazu "Gestatten Sie Monsieur?" karaoke gesungen habe.

Aufgeschriebene Erinnerungen und materielle Freiheit, schön und gut, und ich bewundere jeden, der auf überflüssigen Plunder verzichten kann. Trotzdem will ich manchmal etwas in den Händen halten, daran riechen, es fühlen und mich so an jene Begebenheit erinnern, die für mich schön waren. Denn jeder Gegenstand hat seine eigene, persönliche Geschichte.







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