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Freitag, 6. September 2024

Mein Sommer im Freibad

 In diesem Sommer habe ich mir zum ersten Mal seit 2019 wieder eine Saisonkarte fürs Freibad gegönnt. Ich bin gerne hingegangen vor Corona, habe meine Bahnen geschwommen und mich dann noch etwas in der Sonne und im Schwimmbadcafé aufgewärmt. Das war immer fast wie Urlaub. Letztes Jahr fiel der Sommer für mich ins Wasser, und eigentlich hatte ich auch heuer keine große Lust auf Freibad. Aber ich hätte sonst kaum Bewegung gehabt, so dass ich mich dann doch mithilfe meiner Schwester überwunden habe. 


Und irgendwie hat es sich auch gelohnt: Die Jahreskarte hat sich amortisiert (vornehm!), und das will etwas heißen bei € 95,00. Ich finde nicht, dass es zu teuer ist, denn das Schwimmbad ist nach der Renovierung Ende der 2010er Jahre echt schön und freizeitwertig geworden. Aber wenn man nur kurz schwimmen möchte, muss man schon häufig hingehen. Na, immerhin ist uns das gelungen. Und es gab sogar eine Überraschung in Form eines Büchertauschregals. Ich weiß nicht, ob es schon letztes Jahr da war. Jedenfalls finde ich die Idee super. Wir brachten ziemlich viele unserer Bücher her, und zwei habe ich sogar mitgenommen. Das erste ist ziemlich skurril auf eine Art, die mir nicht behagt, aber das zweite hat mich bereits beim Erscheinen interessiert. Es heißt "Als wir uns die Welt versprachen" und erzählt die Geschichte von Edna, die in den späten 1930er Jahren als "Schwabenkind" von Südtirol nach Ravensburg kam, dort einen Jungen kennenlernt und als ältere Frau dieselbe Route über die Alpen zurücklegt, um Jacob zu finden und ihm außerdem seinen Papagei Emil wiederzugeben. Ich schreibe bestimmt noch eine Rezension dazu, denn das Buch mit seinen berührenden und atmosphärischen Passagen gefällt mir bisher außerordentlich gut. Außerdem erinnert mich Edna in ihrer Unerschrockenheit und Unvoreingenommenheit irgendwie an Mama. 

 

Im kinderleeren Kinderbereich

Insgesamt haben wir bei unseren Besuchen festgestellt, dass ziemlich wenig los war. Selbst an heißen Tagen gab es meist noch zwei freie Liegen, auch nachmittags. Natürlich mussten wir auch ein paar Mal mit dem Rasen vorlieb nehmen, doch in der Regel fanden wir schnell zwei Plätze direkt am Olympiabecken. Der ausbleibende Andrang hat mich dann auch tatsächlich mal zum Rutschen angestiftet. Das ist insofern erwähnenswert, als dass ich zum letzten Mal mit meinem Cousin auf dem Schoß die damals noch nicht renovierte Rutschbahn hinunterzockelte und dabei den ganzen Betrieb hinter uns aufhielt. Das war mir so peinlich, dass ich seitdem keinen Fuß mehr auf die Treppe zur Rutschbahn gesetzt habe. Zu Recht, dachte ich, als ich jetzt wieder die Stufen im Wendelgang erklomm. An meine mit dem Alter zunehmende Höhenangst hatte ich in meinem jugendlichen Überschwang nämlich keinen Gedanken verschwendet. Glücklicherweise war ich völlig allein und konnte mir Zeit lassen. Dennoch - zügig nach oben, nach Möglichkeit nicht zwischen die Stufen linsen, und mutig voran. Leider habe ich keinen fotografischen Beweis für meinen Ritt, doch es hat richtig Spaß gemacht. Wäre die Treppe nicht, hätte ich ihn bestimmt wiederholt.

 


Belohnt habe ich mich jedenfalls mit einem "deutschen" Cappuccino, der im Freibad wohl aus Tradition noch serviert wird, wo alle anderen Restaurants und Bars auf die aufgeschäumte internationale Variante schwören. Ich nicht. Daher freut es mich, dass man dort auf Wunsch noch einen Cappuccino mit Sprühsahnehäubchen erhält, das ich oft sogar extra mit Zucker bestreue und die Sahne genießerisch herunterlöffle. Ich weiß, dass Italiener und Kaffeespezialisten entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber ich mag ihn so. Nicht zuletzt, weil er ein wohlig-nostalgisches Gefühl auslöst.

 

Bademeistervertretung
 

Apropos nostalgisch: oft drehten wir eine Runde übers ganze Gelände und wurden ein bisschen wehmütig angesichts der vielen Veränderungen im Lauf der Zeit. Zwar ist das Freibad wirklich gut saniert und modern, doch manchmal fehlt einem doch das Alte, etwas Primitive. Das Kiosk mit dem Pommes-Imbiss, das jahrelang im hinteren Bereich vor einer kleinen Allee stand, wurde abgerissen, und ich denke gern daran zurück, wie ich gefühlt stundenlang auf den roten Plastikstühlen unter roten Sonnenschirmen saß und manchmal ein Schwätzchen mit der Besitzerin hielt. Überhaupt begebe ich mich wieder in gefährlich nostalgische Gewässer. Ich wäre gern anders, würde ununterbrochen und optimistisch vorwärtsschauen, aber gerade durch das letzte Jahr fällt mir das schwerer als ohnehin schon. 



Ob es nun im September noch ein paar heiße Tage gibt, dass wir vielleicht noch einige Male für "umsonst" gehen können? Es war nicht immer einfach, Zeit abzuzwacken für ein paar Stunden Sommerurlaub daheim, mit so viel Arbeit, die seit Mamas Heimgang kein Ende zu nehmen scheint. Aber ich bin froh, dass ich mir doch die Karte gekauft habe. Sonst hätte ich gar keine Ferien gehabt. 

 

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