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Donnerstag, 12. September 2024

"Als wir uns die Welt versprachen" ~ Romina Casagrande

 Obwohl mich dieses Buch schon bei seinem Erscheinen interessiert hat, habe ich es in diesem Sommer umsonst ergattert - im Tauschregal des örtlichen Freibads. Das hat mich sehr gefreut, und ich habe dann auch bald mit dem Lesen angefangen. Mit 500 Seiten übersteigt es mein derzeitiges Pensum zwar, aber es war über weite Strecken kurzweilig und richtig gut zu lesen, auch wenn mich gelegentliche kryptische Sätze manchmal etwas genervt haben, die mir so vorkamen, als wollten sie die Originalität der Geschichte künstlich unterstreichen.

 


 

Inhalt: Edna Weiss sammelt seit Jahrzehnten "Stern"-Ausgaben und wohnt mit dem eigensinnigen Papagei Emil in einem kleinen Dorf in Südtirol. Die Lebensmittelladenbesitzerin Adele ist ihre Freundin und bringt ihr Einkäufe vorbei - auch die neuesten Stern-Magazine. Dort stößt Edna auf das Foto ihres "Schwabenkind"-Kollegen Jacob, mit dem sie vor fast achtzig Jahren auf einem Bauernhof in Ravensburg Arbeit verrichtet hat, um ihre mittellosen Eltern finanziell zu unterstützen. 

Jacob erkennt sie zweifelsfrei an einem Merkmal, das er sich während der Zeit als billige Arbeitskraft zugezogen hatte. Außerdem gehört ihm Emil. 

Kurzentschlossen beschließt Edna, mit Papagei und einem uralten sperrigen Transportkäfig denselben Weg über die Alpen anzutreten wie einst das kleine, verängstigte Mädchen kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, um Emil zurückzubringen und sich mit Jacob auszusprechen, mit dem sie einst die Flucht vom Hof geplant hatte. Sie folgt derselben Route und lernt auf ihrem Weg Leute kennen, die Edna ihre Geschichten erzählen und auch ihre anhören. Fasziniert von ihrem Vorhaben, bieten die Weggefährten von Schamanin bis Motorradgang ihre Hilfe an - und Edna und Emil erlangen so ganz nebenbei multimediale Berühmtheit. 

 

realworkhard / Pixabay

 

Meinung: Ich mochte das Buch bis etwa zwei Drittel. Abwechselnd wird von Edna als alte Frau und als kleines Mädchen auf dem Hof erzählt - wobei ich nicht sicher bin, wie alt sie als Kind auf dem Gutshof ist. Wahrscheinlich alt genug, um ihre Periode zu haben und von den Knechten begrapscht  und missbraucht zu werden; all das war ziemlich nebulös beschrieben, genau wie Ednas "Visionen" und die Rückblenden, bei denen ich oft nicht wusste, was die Autorin eigentlich sagen will. Trotzdem fand ich die alte Edna anrührend - anfangs. 

Dadurch, dass von ihrer persönlichen Sicht nicht viel preisgegeben wird, sondern die Umstände und Ereignisse wichtiger sind, erfährt der Leser nicht, wie sie den Menschen gegenüber eingestellt ist, die ein Stück des Weges mit ihr gehen. Später stellt sich heraus, dass sie durchaus Vorbehalte gegen die meisten hatte, die sie dann revidieren musste - und das wirkte auf mich ein bisschen wie gewollt philosophisches Gewäsch. Mir hätte eine unvoreingenommene Edna besser gefallen. Das hätte zu ihrer sympathischen Art gut gepasst. Punkten konnte nach einer Weile nur noch Emil, der in seiner Eigenschaft als störrischer und halbgerupfter Paradiesvogel sehr liebenswert ist.

 

Eine Etappe: der Reschensee. Tommy_Rau / Pixabay

 

Etwas unglaubwürdig fand ich Ednas schier unglaubliche Robustheit mit Anfang Neunzig, und das, obwohl sie nach ihrem traumatischen Dasein als Schwabenkind selten von zuhause weg war. Dass sie sich für Emil ins Zeug legt, der sie öfters mal in Schwierigkeiten bringt, ist verständlich, doch irgendwie hat es mich gestört, herauszufinden, dass sie quasi eine Art weiblicher Luis Trenker ist, unverwüstlich, ohne in Jahrzehnten einen Fuß auf einen Berg gesetzt zu haben. 

Es war recht amüsant, von ihren Abenteuern zu lesen, doch durch die distanzierte Erzählperspektive und die teils schwammigen Sätze konnte ich mich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, die trotz einer toughen Protagonistin und einem hysterischen alten Papagei vor allem irgendwie traurig ist. Vielleicht ist sie für Leser weniger traurig, wenn sie den "Circle of Life" verinnerlicht haben, denn darauf läuft alles schließlich hinaus. Aber auch das kam mir rästelhaft und ein wenig klischeebeladen vor. "Jede Reise ist eine Reise zu sich selbst". Das klingt in meinen Ohren so abgedroschen, dass mir der Spruch nur noch ein Gähnen entlockt. Dennoch habe ich Edna und Emil auf ihrer Reise mit Vergnügen begleitet. Es war daher absolut kein Vergnügen, am Ziel angelangt zu sein, an dem sich Edna von Luisa Trenker in eine Art weiblicher Konfuzius oder Buddha verwandelt und mit Lebensweisheiten glänzt, die sie sich selbst und ihrer besorgten Freundin Adele predigt.

Das Versprechen, das Edna und Jacob sich als Kinder gaben, konnte nicht eingehalten werden, und es gab - Achtung Spoiler! - nicht das, was man ein Happy End nennt. Im Schlussteil findet sich ein Interview mit der Autorin, die meint, dass sie trotz der Schrecken der "Schwabenkinder"-Epoche eine positive Botschaft vermitteln möchte. An mir ist die leider größtenteils vorbeigegangen. Schade, denn bis über die Hälfte war ich echt begeistert.

Bewertung: 💫💫💫

 

 

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