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Montag, 8. März 2021

Rezension "Giovannis Zimmer" ~ James Baldwin

 

Ohne zu wissen, dass es sich bei dem Buch um einen Klassiker handelt, habe ich es aufgrund der Thematik und des ansprechenden Covers gekauft. Anfangs fühlte ich mich stilistisch und auch thematisch sehr an André Acimans "Ruf mich bei deinem Namen" erinnert.

 


 Auch dieses ist mit ca. 200 Seiten nicht besonders lang, aber ungewöhnlich poetisch, und handelt von zwei jungen Männern, die einander begehren. 

 Handlung: Der Amerikaner David - Ich-Erzähler des Romans - wächst ohne Mutter, dafür mit dem vergnügungssüchtigen, schwach wirkenden Vater und dessen unverheirateter Schwester auf. Er beschreibt seine Kindheit und Jugend in den 1940er Jahren mit blumigen, aber beeindruckenden Sätzen als problematisch und schuldbeladen. Hauptsächlich deswegen, weil er als Teenager mit einem Jungen geschlafen hat; ein Makel in seinen Augen, von dem er sich nicht reinwaschen kann. So bald wie möglich verlässt er die Familie und zieht nach Paris, wo es ihn in einschlägige Clubs und zu Männern zieht, obwohl er sich sagt, heterosexuell zu sein. Durch seinen ältlichen Gönner Jacques lernt er den Italiener Giovanni kennen, der für den ebenfalls schwulen Guillaume als Barkeeper arbeitet, und hinter dem eigentlich Jacques her ist. Eigentlich sind beide - Jacques und Guillaume - hinter den dort schwärmenden jungen Männern her. Doch David ist es, der Giovanni bekommt. Trotz seiner Verlobten Hella, die nach Spanien gereist ist, um über Davids und ihre Beziehung nachzudenken.

Sie verbringen einige Monate zusammen, in denen David abermals von Schuld geplagt wird und Giovanni sich vom charmanten, etwas überheblichen Sonnyboy zu einem ständig weinenden, schwachen Etwas entwickelt, als er erkennt, dass David ihn nicht wirklich liebt. Als Hella zurückkommt, findet David nicht den Mut, ihm zu sagen, dass er abreisen und Giovanni verlassen wird. Endlich überwindet er sich und stellt Giovanni vor vollendete Tatsachen - mit folgenschweren Konsequenzen.


Frank Winkler / Pixabay

Meinung: Zuerst mochte ich das Buch. Stil und Protagonisten sind beeindruckend und manchmal sogar so originell, dass ich beim Lesen abwechselnd erstaunt oder versonnen vor mich hinlächeln musste. Doch je weiter man liest, desto deprimierender und verkopfter wird "Giovannis Zimmer", und desto unsympathischer werden einem David und Giovanni. Ersterer kann seinen Schuldkomplex nicht überwinden und empfindet am Ende nicht einmal mehr etwas für Hella, die er bald unansehnlich findet. Letzterer ist ein schwacher Charakter, dem ich mehr Glück gegönnt hätte, der aber nach Davids Entscheidung, sich von Giovanni zu trennen, den fatalen Fehler begeht, sich dem lüsternen Guillaume auszuliefern und daraufhin empfindlich gedemütigt auf spontane Rache sinnt. 

Da "Giovannis Zimmer" als hochgelobter und berühmtester Roman Baldwins gewürdigt wird, entging mir vermutlich unter den ganzen philosophischen Betrachtungen und der emotionslos geschilderten Liebe beider Protagonisten etwas Wichtiges, das es mir unmöglich macht, in die Würdigung miteinzustimmen. Schade eigentlich, denn der Anfang war vielversprechend. Mir persönlich war zu wenig Gefühl und zu wenig Handlung, dafür zu viel Geschwafel zwischen den Seiten. Ich hätte mir etwas mehr Interaktion gewünscht, oder etwas, das die Zuneigung der beiden irgendwie persönlich macht. Über Giovannis Zimmer findet der Leser heraus, dass es klein und schmutzig ist und Giovanni es mit allen Mitteln verändern möchte, seit David es mit ihm teilt. Die Metapher fand ich schön, aber leider lieblos abgehandelt. 

Fazit: Nicht so meins. Vielleicht liegt es daran, dass mir als Frau Gefühl gefehlt hat, ein bisschen mehr Details und mehr Einsicht in Davids Psyche, die mir rätselhaft geblieben ist - mehr als Schuld und Zerrissenheit scheint darin kein Platz zu haben. Insgesamt wohl zu Recht zu seiner Zeit (1956) ein gewagtes Werk und Befreiungsschlag zugleich und heute ein Klassiker, hat mich der Roman nicht vom Hocker reißen können.

Bewertung:

 💫💫💫


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