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Donnerstag, 4. März 2021

In Gedenken an Heinz-Dieter Trapp

 Am Montag starb ein Bekannter von mir mit Mitte Siebzig an Corona, der lange Zeit im Haus meiner Eltern gelebt hat, genauer gesagt von 2005 bis 2018. Er kam im Rahmen des Projekts "Betreutes Wohnen" als Patient einer psychiatrischen Einrichtung zu uns, nachdem die "Vorbesitzerin" ihn nicht mehr verpflegen konnte / wollte. 

 

Foto: Karl Schramm


Und in der Tat erwies sich Herr Trapp (den ich nie "Heinz-Dieter" nennen konnte, wenngleich er es uns mehrmals anbot) als ziemlich eigenartig. Obwohl als schizophren diagnostiziert, hatte ich eher den Eindruck, er gehörte dem Asperger-Spektrum an, auch und gerade, weil er häufig von seinem "Wahn" sprach - etwas, das Schizophrene meines Wissens nach nicht tun. 

Er liebte klassische Musik, Beethovens Fidelio und Don Pasquale und Märklin-Eisenbahnen. Mehr interessierte ihn eigentlich nicht, und im Lauf der dreizehn Jahre gab es nichts anderes, mit dem man ihn begeistern oder seinen Horizont hätte erweitern können. Menschen, die ihn nicht näher kannten, hatten ihn, seine kleine dünne Gestalt und sein Auftreten als höflich und auch "goldig" bezeichnet. Er wusste zu formulieren und schenkte großzügig Sekt und Weinbrandbohnen - Dinge, die er selbst mochte. Er tat es auch dann noch, wenn man seine Aufmerksamkeiten ablehnte. Vielleicht im Bemühen, Ärger abzuwenden, den er selbst immer wieder heraufbeschwor. 

Allerdings wäre mir lieber gewesen, er hätte sich etwas mehr Mühe gegeben, sich in ein soziales Zusammenleben zu integrieren. Denn mitunter war er sehr nervend in seiner mehr als schrulligen Art. Empathie ging ihm völlig ab. Seine Gespräche kreisten ständig um sich selbst und die erwähnten Themen, ohne auf sein Umfeld einzugehen. Ich kann mich an Vorfälle erinnern, die mich fast zur Weißglut getrieben haben, und ich bin im Allgemeinen ein geduldiger Mensch.

Trotzdem tat es mir leid, von seinem Tod zu erfahren. Nachdem er in eine andere Familie an einen anderen Ort kam, die weniger nachsichtig mit ihm und seinen Macken war, blieb er dort nicht lange und hatte wohl eine regelrechte Odyssee vor sich; etwas, das ihm zutiefst widerstrebte, saß er doch am liebsten den ganzen Tag in seinem Zimmer, ohne einen Finger zu rühren. Da er sich nie körperlich betätigte und sein jahrzehntelanger Medikamentenkonsum enorm war, machten offenbar gegen Ende seine Muskelfunktion und sein geschwächter Körper schlapp. Sein ereignisloses, aber für ihn erfülltes Leben endete auf der Intensivstation. Das hätte ich ihm nie gewünscht und auch nicht erwartet. Die Nachricht - heute Mittag telefonisch überbracht von einer seiner Betreuerinnen - hat mich doch sehr erschüttert. Ich frage mich, ob er jetzt Beethoven beim Komponieren zusehen kann. Und wer seine Eisenbahnen erbt. Wer an ihn denkt, wem er wichtig war. Nicht zuletzt deshalb möchte ich ihm hier ein Andenken bewahren. 

Als wir uns im November 2019 sahen, machte er mir sogar ein für ihn in zweifacher Hinsicht ungewöhnliches Kompliment: mein Roman "Vom Ernst des Lebens" hatte er laut eigenen Worten zweimal gelesen, wo er ansonsten nur Kurt Kusenberg als Autor kennt und liest. Seine weiteren Bücher stehen / standen sauber verschweißt im Regal. Da war ich wider Willen richtig gerührt.


Ri_Xa / Pixabay

 

Den Wunsch, in einem gläsernen Schneewittchensarg bestattet zu werden, wird man ihm wohl nicht gewähren. Aber den braucht er im Himmel ja nicht. Und ich hoffe sehr, dass er jetzt dort und glücklich ist. Vielleicht begegnet er ja auch unserem Joschi, der nach schönen jungen Frauen, der Musik und Modelleisenbahnen hoch in seiner Gunst stand.


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