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Freitag, 27. September 2013

Der große Gatsby (1974 / ohne Leo, aber trotzdem sehenswert)

Herbstzeit - DVD-Zeit. Wenn's früh dunkelt, finde ich mich meist unversehens gegen neun Uhr auf dem Sofa unter meiner kuscheligen Patchworkdecke wieder. Weil im Fernsehen oft nichts Interessantes läuft, grabe ich vorher in meinem Videoschrank und stoße auf Filme, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie überhaupt noch habe.

Eines vorweg: Robert Redford ist absolut nicht mein Typ, weder in "jung" noch in alt, und mit konventionellen Liebesgeschichten mit Happy End kann ich genauso wenig anfangen. Aber ich bin fasziniert von den Roaring Twenties und der Zeit davor. Und ich war es auch von Scott F. Fitzgeralds Roman "Der große Gatsby", den ich in meinen Teenagerjahren mehrmals gelesen habe, um mir daraufhin die Verfilmung anzusehen (auch mehrmals), obwohl ich die zum Gähnen fand.

Das Remake von Baz Luhrmann mit Leonardo DiCaprio hat mir den Film wieder ins Gedächtnis zurückgerufen. Angeschaut habe ich ihn mir nur ausschnittweise, wobei ich glaube, dass DiCaprio seine Sache ganz gut macht. Aber irgendwie sind mir Baz Luhrmann-Filme im Allgemeinen zu laut und zu grell.

Es hat ja schon seinen Reiz, Filme nach langer Zeit noch einmal zu gucken, um zu prüfen, ob man sie heute anders versteht als beim ersten Mal. Lustigerweise konnte ich mich trotz Überlänge an jede Szene erinnern, und einige Dialoge sogar auswendig hersagen.

 


Es braucht eine Weile, bis man sich an den geschraubten Erzählstil von Gatsbys neu zugezogenem Nachbar und Daisys Cousin Nick Carraway gewöhnt hat, und manche Einstellungen wie z.B. Gatsbys Rendezvous mit Daisy am Schwanenteich und dem gefühlt stundenlangen, unromantischen Saugkuss (Videoclip-Charakter!) hätte man sich sparen können. Aber von seiner Tragik hat die Figur Gatsby nicht verloren - im Gegenteil. Tragisch und bezeichnend war bei letzterwähnter Szene übrigens auch, dass er sich in seine alte Uniform zwängen musste, um von Daisy bewundert werden zu können.

Wie gesagt, ich mag Robert Redford nicht und finde ihn als Schauspieler und vor allem Womanizer ziemlich überschätzt. Zugegeben, er macht im Badeanzug eine passable Figur. Trotzdem hatte ich Mitleid mit Gatsby, und zwar richtig großes. Grausam, wenn man aus einfachen Verhältnissen stammt und sich nur aufgrund der Angebeteten abrackert und ein Riesen-Anwesen (mit beneidenswert tollem Swimming-Pool und Badehaus) vor ihre Nase stellt, um bei Gelegenheit zu zeigen, dass man es wert gewesen wäre. Und dann, als das Glück endlich wieder zum Greifen nah scheint, zerbricht es. Schlimmer noch, die Auserwählte und einzige Liebe stellt sich als oberflächlicher heraus als er selbst.

Als Nick Carraway zu dieser Feststellung gelangt, ist es für Gatsby bereits zu spät. Und irgendwie war das noch tragischer, als wenn sie es ihm selbst unverblümt ins Gesicht gesagt hätte. Gatsbys gesamtes freudloses Leben bestand aus Illusionen und der Anstrengung, Daisy durch angehäuften Reichtum und Protzigkeit für sich zu gewinnen - um jeden Preis. Dabei schreckt er auch vor Peinlichkeiten und Offenbarungen nicht zurück, während denen man sich innerlich windet. Wie kann man nur so hohl und naiv sein, fragt man sich als Zuschauer nicht nur ein Mal. Und ist doch schockiert, wie ihm seine Naivität schließlich gedankt wird.

Der Erzähler Nick Carraway bringt es auf den Punkt, nachdem Gatsby sich kurz vor dem "Attentat" mit Nick für den Nachmittag verabredet. They're a rotten crowd. You're worth the whole damn bunch put together, sind seine letzten Worte an ihn. Spätestens da merkt man, dass Gatsby in der hartherzigen, kalten, vergnügungssüchtigen Welt der Zwanziger Jahre keinen Platz mehr hat und seine Ideale veraltet und zum Scheitern verurteilt sind. Von daher überraschen einen die folgenden Minuten nicht mehr allzu sehr.

Oder vielleicht habe ich den Film schon zu oft gesehen, um mich noch überraschen zu lassen. Nein, eigentlich stimmt das nicht. Ich war schon überrascht. Nämlich davon, dass ich ihn besser fand als die paar Male davor.

Einen Extra-Stern gibt es für die fantastisch authentische Ausstattung und die mutigen Outfits von Robert Redford.


Bewertung:




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