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Mittwoch, 17. April 2019

Mein Sous zum Brand von Notre Dame

Gruselig war's. Kaum wurde der Brand des Unesco-Kulturerbes entdeckt, war ich live dabei. Über Facebook. Und las Kommentare wie "Hoffentlich ist es nicht so schlimm, wie es aussieht." Ach nee, dachte ich, das haben die bald unter Kontrolle. Pustekuchen. Flammen schlugen immer höher, und als der dünne Spitzturm brach, war das wie ein Aufschrei. Ich war fassungslos. Fast am Weinen. Die Kathedrale habe ich zweimal besucht, einmal als Austauschschülerin in Paris, dann als Erwachsene während eines Wochenendtrips dorthin, der mich zu "Vom Ernst des Lebens" inspiriert hat.


Quelle: Christine, damals 14 und Kulturmuffel

Ein bisschen haben mich die Besucher damals genervt. "Du musst unbedingt das Rosenfenster fotografieren!" hieß es, und ich dachte mir, dass es schon so oft geknipst worden sein muss, dass mein Bild nur langweilig werden kann. Wurde es auch, und viel zu dunkel, weil man während des Schüleraustausches in Kirchen und Museen nicht mit Blitz fotografieren durfte und das Smartphone noch nicht erfunden war. Auch mein Außenporträt ist kein Meisterwerk, aber immerhin ein Beweis: ich war da. Und daher nehme ich mir das Recht heraus, zu trauern um ein Gebäude, das jahrhundertelang die Menschen zum Staunen gebracht, erfreut und getröstet hat. Mich lange nicht, denn Notre Dame ist weit weg, ich bin kein Kirchgänger und eigentlich eher pragmatisch veranlagt, was Gebäude betrifft, solange ich nicht selbst darin wohne.

Trotzdem verstehe ich die Trauer der Franzosen und Pariser, und ja, ich verstehe auch die Bereitschaft, Millionen zum Wiederaufbau zu spenden. Architektonische Meisterwerke wie Notre Dame prägen ein Volk, gehören zur Kultur. Kein Erdenbewohner seit 1345 hat Paris je ohne die Kathedrale erlebt bis zum 15. April 2019. Und plötzlich ist sie innerhalb weniger Stunden zerstört, eine scheinbar unverwundbare Trutzburg, ein wunderschönes Beispiel der Gotik und Tempel des christlichen Glaubens. Da kann man schon mal an eine Symbolik denken, die mit den abendländischen Werten und deren Untergang zu tun hat. Das fand ich aber übertrieben, ebenso wie sofort aufbrandende Verschwörungstheorien und die Empörung über die millionenschweren Spenden, die in den Wiederaufbau fließen sollen.


Wird es je wieder so sein? Quelle: kirkandmimi / pixabay

Die Tragödie von Notre Dame hat das Land erschüttert, und die Welt nahm Anteil. Ist die Aussicht auf eine baldige Rekonstruktion nicht ein Trost, der gewährt werden kann und vielleicht auch sollte? Natürlich könnte man mit den Spenden, die mein mathematisches Vorstellungsvermögen weit übersteigen, etwas für die Menschen tun. Menschen, die leiden und in Not sind. Menschen sind immer mehr als Stein, Holz und Blei.

Und trotzdem, irgendwie kommt es mir richtig vor, Notre Dame erhalten bzw. rekonstruieren zu wollen. Die Erklärung ist vielleicht naiv und simpel, aber nichtsdestoweniger wichtig. Für die Pariser ist sie das Herz ihrer Stadt, und für alle Anreisenden und Touristen eine Station, in der sie Ruhe finden können. Und auch ein wenig Ehrfurcht vor der Vergangenheit und der Vergänglichkeit. Denn dass nichts von Menschenhand für die Ewigkeit hält, hat uns der Montag vor zwei Tagen deutlich bewiesen.



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