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Freitag, 29. Januar 2021

"Jane Eyre" Charlotte Bronte ~ Fazit zur Leserunde und Rezension

Unsere Leserunde neigt sich allmählich dem Ende zu. Obwohl der offizielle Schluss Anfang Februar ist, habe ich den Roman bereits beendet. Und muss sagen, dass - so selten ich an Online-Leserunden teilnehme - ich doch immer wieder gern Geschichten diskutiere und dabei neue Einsichten von Mitlesern gewinne, was ich als großes Plus betrachte.


 

Zur Handlung selbst sage ich nicht viel; zum einen ist sie vermutlich den meisten bekannt und zum anderen habe ich sie in meinem Artikel über die BBC-Serie schon hinlänglich ausgeführt. Denn Überraschendes hat sich mir in Bezug auf den Verlauf von Jane Eyres dramatischer Biografie nicht geboten. Das war aber alles andere als öde. Bücher haben den Vorteil, dass sie detailreicher und aus der Perspektive der Protagonisten erzählt werden und nicht dem Zeitlimit von Spielfilm-Länge unterliegen. Das macht sie automatisch auch persönlicher. 

Und persönliche Ansichten hat Jane so einige. Sie war mir nicht immer sympathisch, manchmal etwas blasiert und herablassend sogar und schnell mit ihrem Urteil, aber zu Recht ist sie eine der bemerkenswertesten und stärksten Frauenfiguren in der Literatur. Besonders beeindruckt hat mich ihr unerschütterlicher Glaube an Gott, der immer stärker wird und an dem sie festhält in stürmischen Zeiten und auch, wenn ihre Entscheidung gefragt ist, die nicht immer so ausfällt wie ihr eigener Wille. Oder wenn das Glück bzw. ihr Gebieter und geliebter Rochester zum Greifen nah ist und doch so fern. 

Als Leser spürt man deutlich die Entwicklung, die mit der Freundschaft zu der gläubigen Helen Burns ihren Anfang nimmt und später zur Sicherheit und Konstante in Janes turbulentem Leben wird. Ihre Entscheidungen trifft erst oft die Vernunft vor dem Herzen; das erfährt Rochester auf schmerzhafte Weise. Obwohl er sie überall sucht und suchen lässt und sich verzweifelt nach ihr sehnt, bleibt Jane über ein Jahr unauffindbar.

 


 Zuflucht findet sie währenddessen bei St. John Rivers und seinen Schwestern, die sich als Cousin und Cousinen von Jane herausstellen. 

Hier hat es Charlotte Bronte meiner Ansicht nach ein bisschen zu gut gemeint mit den schicksalhaften "Zufällen", doch ich glaube, das ist mein einziger Kritikpunkt - gemeinsam mit dem, dass mir in diesen Kapiteln der feurige, impulsive Rochester gefehlt hat und stattdessen mit seinem krassen Pendant in der schönen, aber eisigen Gestalt von St. John "ersetzt" wurde, der Jane ebenfalls gerne als Gefährtin und Ehefrau hätte - zu gänzlich anderen Zwecken als Rochester. Zum Glück kann ihm Jane in letzter Minute widerstehen, denn verfallen ist sie seiner eindringlichen und logischen Art fast, und ich fürchtete schon, die Mini-Serie hätte zugunsten der Romantik ein Happy End gedichtet, das im Roman so nicht vorkommt. Überhaupt, wirklich romantisch ist das Verhältnis Rochster / Eyre vordergründig nicht; zumindest nicht bis vor der geplanten Hochzeit. Aber gerade das hat mir gut gefallen. Ihre Liebe ist nicht rosarot, keine Wolke Sieben, und dennoch spüren beide, dass sie ohne den anderen nicht sein können.

Jane hört ihren geliebten Rochester rufen, als St. John seinen x-ten sachlichen Antrag macht. Viele halten diese Passage und das, was Rochester später dazu sagt, für esoterisch oder zumindest spooky, doch so, wie es erklärt war, sprach es für mich für eines der Dinge zwischen Himmel und Erde, die mehr sind als sich die Schulweisheit erträumen lässt. Da hatte ich tatsächlich Gänsehaut.


Endlich vereint!


Man muss mir verzeihen, dass ich beim Lesen Ruth Wilson und Toby Stephens als die Protagonisten vor Augen hatte und daher und weil ich die Geschichte schon kannte, ein bisschen voreingenommen war. Das spricht aber auch für die tolle und hohe Qualität der Verfilmung und die feinfühlige Art, wie die Figuren in der BBC-Produktion dargestellt sind. Vielleicht werden sie dadurch sogar noch greifbarer und verständlicher. Mir fiel auf, dass Rochester im Roman während der Leserunde kaum Sympathiepunkte sammeln konnte. 

Das wäre sicher anders gewesen, wenn man den gequälten, aber trotzdem charismatischen, robust und sinnlich wirkenden Stephens-Rochester gesehen hätte. Vielleicht kommt das Mitgefühl noch am Ende, denn er erkennt seine Fehler in einem ruhigen und trotzdem emotionalen Showdown, bei dem ich den Tränen nahe war vor Rührung und Erleichterung.

Fazit: Ein schöner, anspruchsvoller und dichter Roman mit interessanten Charakteren. Für heutige Verhältnisse vielleicht etwas altmodisch und *fromm*, aber für mich als gläubiger Mensch enthält "Jane Eyre" viel Wahrheit und war gerade in Bezug auf die Liebesbeziehung realistischer als viele andere Bücher. Nicht zuletzt hat er mich und mehrere andere Leserinnen rätseln lassen, gut unterhalten und zum Nachdenken gebracht.

 

Bewertung

 
💫💫💫💫 und ein halber 💫


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