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Mittwoch, 11. September 2019

Altes Eisen und keine Wertschätzung mehr?

Diese Woche habe ich etwas zum Thema Nachhaltigkeit erlebt, das mich doch sehr nachdenklich gemacht hat.

Ich besitze eine Tisch-Drehpendeluhr aus den 1970er Jahren der Firma Kundo, Erbstück meines Opas. Obwohl sie keinen besonderen Wert hat, mag ich sie und möchte sie trotz ihres etwas nervigen Schlagwerks nicht missen. Das liegt vermutlich daran, dass ich mit dieser Uhr schöne Stunden bei meinen Großeltern verbinde. Irgendwie war sie immer da und hat trotz ihrer geringen Größe gravitätisch das gesamte Wohnzimmer dominiert. Jetzt steht sie bei uns im Esszimmer, und manchmal schaue ich - wie früher - gern dem beruhigend meditativen Kreisen der Drehpendel zu.




Vor etwa zehn Jahren habe ich sie zum Juwelier gebracht, da das Schlagwerk verstummt war und sie nicht mehr korrekt lief. Schon damals gab es die Herstellerfirma nicht mehr, doch der Chef - ein Tüftler und Uhrenliebhaber - versprach mir ganz enthusiastisch, sich darum zu kümmern, obwohl ich versicherte, dass der halbstündlich erschallende Klang nicht unbedingt wieder hergestellt werden musste. Dennoch. Er wurde, mitsamt allem anderen, was nicht in Ordnung gewesen war: Nachmittags konnte ich eine fast wie nagelneue Uhr wieder abholen.

Mittlerweile spinnt sie wieder. Geht bis zu einer Stunde nach oder schlägt vierzehnmal (!) hintereinander. Da ich beim Juwelier so gute Erfahrungen gemacht hatte, ging ich dort wieder hin in der Hoffnung, man könne ihre Altersmacken ein zweites Mal beheben.

Der Senior-Chef ist allerdings nicht mehr da oder war gerade anderweitig beschäftigt, und der Nachfolger hat sich kaum die Mühe gemacht, der Uhr fünf Minuten zu widmen, nachdem er lapidar festgestellt hatte, dass diese Art Uhren nicht für Reparaturen gemacht wurde (weil's ja wohl ein billiges G'lump ist, mit dem man damals ältere Leute auf Kaffeefahrten gelockt hat).

Mehr oder weniger durch die Blume gab er mir zu verstehen, dass ich mir entweder eine neue kaufen, oder, wenn ich so sehr an der alten hänge, mich im Internet schlaumachen, eine andere bestellen und das Uhrwerk austauschen soll. Damit und mit einem schief eingesetzten Batteriedeckel in meiner Uhr hat er sich dann wieder ohne ein Wort des Abschieds in sein Kabuff zurückgezogen.

Mir kam der Gedanke, dass die unselige Konsumwegwerfgesellschaft wohl auch deswegen entstanden ist, weil es immer weniger Handwerker gibt, die sich mit Mechanik auskennen und es selbst für fachkundige Verkäufer zu aufwendig und teuer ist, alte Dinge wertzuschätzen und zu reparieren. Das fand ich schon traurig.

Meiner Uhr hat der Ausflug in die Stadt wohl gefallen: seitdem läuft sie auf mysteriöse Weise wieder auf ein paar Minuten genau. Mal sehen, wie lange noch. In Ehren gehalten wird sie übrigens so oder so.


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