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Sonntag, 21. Juni 2015

Review "Amazing Grace" (2006) mit Benedict Cumberbatch und Ioan Gruffudd

Mit dem Erwerb dieses Filmes habe ich schon länger geliebäugelt, spielen doch zwei meiner Lieblingsschauspieler darin die Rollen historisch bedeutender Männer: die von Englands jüngstem Premierminister William Pitt (Benedict Cumberbatch) und des gescheiterten Sängers und Parlamentariers Wilbur Wilberforce (Ioan Gruffudd), der nach einem erbitterten und scheinbar zunächst aussichtslosen Kampf gegen die Obrigkeit im Jahr 1833 - kurz vor seinem Tod - die Sklaverei in Großbritannien abgeschafft hat.


 

Gestern lief der Film im Fernsehen, und ich war natürlich sehr gespannt. Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Zwar fand ich die Ausstattung beeindruckend und authentisch, aber irgendwie fehlte mir das gewisse Etwas. Die Freundschaft zwischen Wilbur und dem Premierminister kam mir zu kurz und war nach meinem Empfinden zu emotionslos. Es gab kaum Momente, in denen man sich als Zuschauer miteinbezogen gefühlt hat ins Geschehen. Wenn überhaupt, gab es nur den einen Augenblick, in dem Pitt auf dem Sterbebett fast erschreckend plakativ Wilburs Hand nimmt und ihm gesteht, dass er gerne seinen unerschütterlichen Glauben hätte, um keine Angst vor dem Tod haben zu müssen.

Über weite Strecken langweilig, wurden hauptsächlich Szenen im Oberhaus gezeigt, in dem hitzige politische Debatten stattfinden. Die zweifellos charismatische Figur Wilberforce blieb trotz seiner dargestellten Menschlichkeit blass, was ganz bestimmt nicht an Ioan Gruffudd lag, den ich in skurrilen walisischen Fernsehproduktionen sehr schätze.

Im Rückblick wurde eigentlich ständig auf dem Elend und der menschenverachtenden Behandlung der schwarzen Sklaven herumgeritten, was auf Dauer ermüdend und wenig erbaulich war. Natürlich ist dieses Thema kein einfaches, und ich denke, es belastet die ehemaligen Kolonialmächte bis heute, so dass eine Aufarbeitung in Form von diversen historisch belegten Spielfilmen nicht verkehrt ist - ähnlich wie man bei uns und vor allem in Hollywood das Dritte Reich aufgearbeitet hat (empfindsame Gemüter mögen mir den etwas derben Vergleich verzeihen). Aber bei aller historischer Recherche und politischer Detailgenauigkeit hätte ich mir von "Amazing Grace" mehr vom persönlichen Aspekt über die Männerfreundschaft gewünscht und somit ein bisschen mehr Unterhaltungswert. Auch wenn der Film wirklich schöne Bilder hatte.

Vom Titel, der sich auf das weltweit bekannte Gospel bezieht, hatte ich mir ebenfalls mehr versprochen. Naiv wie ich bin, dachte ich, dass Wilbur Wilberforce damit in ähnlicher Verbindung steht wie Joseph Mohr zu "Stille Nacht", doch wie ich es verstanden habe, hatte er es von einem Seemann, der jahrelang Sklaven von Afrika nach Jamaica transportiert und reumütig dieses Lied komponiert hat, als er bereits im Ruhestand war. Überhaupt musste man sich einiges zusammenreimen in der etwas wirren Story, oder aber ich habe nach einer halben Stunde geistig abgeschaltet, weil jede Szene der vorigen glich. Auch Erklärungen zu Wilburs Krankheit habe ich vermisst, und wie es dazu kam, dass er trotz Laudanum-Abhängigkeit und den ständigen Krämpfen seinen anfangs so properen Weggefährten William Pitt überlebt hat.

Fazit: Nicht unbedingt ein Muss, aber wahrscheinlich im Original und für die Engländer ein wichtiges historisches Zeitdokument.



Bewertung: und ein halber
                                                                                         für Benedicts coole Perücken.



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