Selbst für meinen neu veröffentlichten Roman "Milan" gibt es mehrere Skizzen, in denen ich meinen Protagonisten ein Gesicht gegeben habe. Dass das Mädchen ein bisschen aussieht wie ich, ist übrigens Zufall. Ehrlich. Die Nase würde ich gern verkürzen und überhaupt noch ein paar Veränderungen anbringen, um meinen künstlerischen Ehrgeiz halbwegs zu befriedigen, aber leider ist das Original verschollen - es existiert nur noch die Kopie im Manuskript.
Die Skizze findet man nicht im fertigen Buch, denn es sollte nur eine Anregung für mich selbst sein, genau wie alle anderen Illustrationen zu meinen Geschichten. Ich finde es immer ein wenig blöd, wenn der Autor seinen Lesern bis ins kleinste Detail das Aussehen seiner Figuren beschreibt und es möglicherweise überhaupt nicht deren Vorstellungen entspricht.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Wolfgang bedanken, der sich beim Binden meiner Manuskripte immer sehr viel Mühe gegeben und mich auch ermutigt hat, weiterzuschreiben. Wenn du das hier liest, grüße auch bitte ganz herzlich die Mädels von mir!
Eine Leseprobe aus dem Roman gibt es wie immer beim Klick auf "mehr Informationen".
Ich
tanze in einem überfüllten Lokal zu den Violinen der Zigeuner, die Musik ist
wild und mitreißend, ich vergesse, wo ich bin, werfe übermütig den Kopf in den
Nacken und tanze, als ob ich nie etwas anderes getan hätte. Die Zigeuner
lächeln mit ihren Geigen und Gitarren, streicheln meine Seele, einige Gäste
klatschen im Takt der Musik und ich lasse mich treiben, die Bewegungen kommen
wie von alleine. An einem Tisch sitzt meine Mutter, sie spornt mich an, ruft
mir zu, sie ist sichtbar stolz auf mich. Milan betritt das Lokal, zunächst
halte ich ihn für ein Mitglied der Zigeuner, denn die Kapelle hört zu spielen
auf. Weiter, protestiere ich. Weiter. Meine Mutter ist auf einmal ängstlich und
wütend zugleich, obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin, grob zerrt sie mich
an ihren Tisch, ich hefte meinen Kinderblick auf Milan, er sagt: Warum tanzt du
nicht mehr? Die Musik, sage ich mit schriller Stimme. Sie ist ja weg. Milan
wendet sich den Musikern zu, er gibt ihnen Geld und sagt: Ihr sollt spielen,
damit dieses Mädchen tanzen kann.
Zaghaft
stimmen sie ihre Instrumente neu, Unterhaltungen der Lokalbesucher werden
wieder lauter, aber meine Mutter hält mich fest, immer noch fixiert sie den
Fremden wie das Kaninchen die Schlange. Dein Menü wird gleich serviert, zischt
sie, in kindlichem trotzigem Zorn stampfe ich mit dem Fuß auf, ein paar Gäste
lachen, meine Mutter beißt sich auf die Unterlippe, ich habe sie blamiert. Sie
schiebt mich nach vorne, zu Milan, er ist fremd, aber als er meine Hand in
seine nimmt, in seine kühle dunkle Hand, da fällt die Angst von mir ab und ich
fasse ein Vertrauen zu ihm, wie es nur Kinder haben können, er ist mein
Verbündeter im Kampf gegen meine strenge Mutter. Sie spielen nur für dich, sagt
er. Du willst sie nicht umsonst spielen lassen, oder? Er lässt meine Hand los.
Und
ich hole tief Luft und tanze, mit der unbefangenen Anmut einer Fünfjährigen,
ein unbändiges Triumphgefühl bemächtigt sich meiner, der Triumph über meine
Mutter und über das Wissen, die Erwachsenen in meinen Bann zu ziehen. Ich suche
Milans Blick und danke ihm mit einem Lachen, seine Augen erwidern das Lachen.
Früher
als üblich muss ich an diesem Abend ins Bett, meine Mutter erklärt mir nicht,
weshalb, ich bekomme auch kein Abendbrot. Die ständige Furcht, sie könnte
hereinkommen und mich prügeln, lässt mich nicht schlafen.
In
das Lokal gehen wir nicht wieder. Vor unserer Abreise in eine andere Stadt
entwische ich meiner Mutter, ich verlaufe mich, finde kein Restaurant mit
Zigeunermusik, eine Frau bringt mich zum Hotel zurück.
Warum
hast du mich ausgesucht im Stadttheater und mich vorsprechen lassen, hast du
mich wieder erkannt, von damals, vor Jahren in dem ungarischen Lokal? Hast du
gehofft, ich hätte mich nicht geändert, wäre immer noch die übermütige Kleine,
die es genießt, im Mittelpunkt zu stehen?
Wenn
ihn die Frage überrascht, lässt er es sich nicht anmerken, er ist ruhig wie
immer, keine Kleinigkeit verrät ihn, er wartet ab, weil er weiß, dass ich noch
nicht fertig bin, seine dunklen Augen sehen mich sanft an.
Hast
du meine Mutter gekannt?
Möglich,
sagt er vage.
Wie
gut?
Das
spielt keine Rolle und wird nie eine spielen. Ich habe dich nicht aufgrund
deiner Mutter ausgewählt.
Und
wenn es für mich eine Rolle spielt?
Dann
ist das deine Sache. Aber es wäre unklug, dich damit zu belasten.
Es
nimmt mich keiner mehr ernst, das hättest du nicht sagen sollen, warum willst
du mich ständig erzählen lassen, wo es dir doch unwichtig erscheint.
Nein,
sagt er. Du musst nur endlich einsehen, dass du nicht mein Eigentum bist, du
gehörst niemandem.
Hast
du nicht ein Anrecht auf mich, weil du eben stärker, logischer und erfahrener
bist als ich; ich hätte nichts dagegen, dir zu gehören, lieber gehöre ich dir
als meinen Eltern.
In
seinen Blick tritt eine Spur von Ungeduld über meinen Starrsinn, selten erkenne
ich, was er denkt, doch er hat sich sofort wieder in der Gewalt: Das ist das
Prinzip, mit dem du aufgewachsen bist, es ist an der Zeit, damit zu brechen. Menschen,
die verletzend sind, ob mit oder ohne Absicht, wird es immer geben. Aber es
trifft dich weniger hart, wenn du weißt, diesen Menschen bist du zu nichts verpflichtet.
Wenn du glaubst, ich verletze oder erschrecke dich, dann ist es deine eigene
Entscheidung, zu gehen, niemand kann dich daran hindern.
Mein
Wunsch wäre es, dass du es tätest. Denn für die Welt bin ich noch nicht reif
genug. Der Tag wird kommen, an dem ich ohne Beklemmung auf die Straße gehen
kann, mit anderen sprechen und Vorurteile abstreifen, und denke nicht, ich
sehne mich nicht danach. Aber bis dahin bin ich auf dich angewiesen.
Welche
Vorurteile möchtest du denn abstreifen?
Über
dich und Männer im Allgemeinen. Es hört sich widersprüchlich an, aber du hilfst
mir schon dabei. Manchmal, so wie jetzt, wäre nichts sinnvoll ohne dich.
Danke,
antwortet Milan, ich nehme an, das ist als Kompliment aufzufassen.
Wie
schlecht du mich doch kennst, sage ich. In dieser Beziehung kennst du mich
schlecht; du beleidigst mich, ich mache nie Komplimente, nur einmal der
Verkäuferin auf dem Markt, die so mürrisch dreinschaute, weil es regnete, und
sie war in der Tat freundlicher nach meinem Kompliment. Dabei habe ich es
keineswegs ehrlich gemeint, es genügt schon, dass man es sagt. Ich habe einfach ihre Miene nicht ertragen
können. Sehe ich mürrisch aus, was gefällt dir an mir?
Milan
sagt: Ich habe diese Frage schon beantwortet. Sie wird viel interessanter, wenn
du sie dir selbst stellst.
Lange Zeit stehe ich vor dem Spiegel, nachdenklich
mein zweites Ich betrachtend, im großen und ganzen bin ich zufrieden mit meiner
Erscheinung, ich neige nicht zu Übergewicht und habe eine knabenhafte Figur,
die ruhig etwas weiblicher sein dürfte.
Als
ich klein war, wollte ich immer hinter dieses magische Glas schauen, dem Tor zu
etwas neuem, nicht greifbaren, ein unerklärliches Phänomen ergründen,
wahrscheinlich geht das jedem Kind so. Wann ist mir bewusst geworden, dass das
Mädchen im Spiegel ich bin? Wann habe ich bemerkt, dass es mich nachahmt, meine
Gesten, meine Grimassen? Diesmal ist es anders, mein Abbild entwickelt ein
Eigenleben, kneift die Augen zu, wo ich sie weit aufreiße. Irgendwann wird es
mir davonlaufen, und in allen Spiegeln werde ich nicht mehr zu sehen sein, weil
mein Ich auf und davon ist, sein Unwesen hinter den Zwischenräumen den Spiegeln
treibt, eine Konfrontation mit mir vermeidend.
Ich
bitte dich, sage ich später zu Milan, irgendetwas stimmt mit dem Spiegel nicht,
schau doch hinein, dann wirst du es sehen.
Er
tut mir den Gefallen. Was soll nicht in Ordnung sein, fragt er. Aber nun bin
ich nicht mehr sicher, ich schaue sein Spiegelbild an, das genauso reglos steht
wie er selber, die Hände noch in den Manteltaschen. Auch meines steht artig da,
nicht so wie heute Mittag, eher ängstlich wandert sein Blick zwischen mir und
Milan hin und her.
Hat
er einen Sprung, fragt Milan.
Nicht
mehr wichtig, ich habe mich getäuscht, stell dir vor, ich habe tatsächlich
geglaubt, in dem Spiegel jemand anderes zu sehen.
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