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Sonntag, 12. Mai 2013

Abtrünnige Krimitante

Ich bin "Tatort"-Fan. Nichts geht über einen Sonntagabend mit einem Krimi der "Königsklasse" und der zuvor bestellten Mozzarella-Pizza und einem italienischen Salat. Mitraten, mitfiebern, in die Irre geführt werden und zum Schluss ein überraschendes, aber logisches Ende erleben, das hoffentlich gut ausgeht... hach, das mag ich.

Bei der Kommissarenwahl bin ich allerdings heikel: nicht jeder Tatort wird geguckt um der Story willen, sondern das Ermittlerteam spielt bei mir ebenfalls eine große Rolle. Sympathisch müssen sie mir sein. Und was fürs Auge.

Lange Zeit fand ich das Münchner-Gespann Ivo Batic / Franz Leitmayr einsame Spitze. Nicht nur, weil ich die Stadt liebe und mich dort auskenne, sondern auch der tollen Interaktion der beiden wegen. Ich mochte die mehr oder weniger versteckte fürsorgliche Ader, die Ivo trotz seiner eher ruppigen Art dem Kollegen gegenüber zeigte, und Franz' Jungenhaftigkeit und seine oft etwas spröde Reaktion auf Ivos manchmal übertriebenen Beschützerinstinkt. Ganz zu schweigen von den launigen Witzen in ihrem Umgang miteinander. Leider nagt auch an Tatort-Ermittlern der Zahn der Zeit: seit ein paar Folgen wirken beide Schauspieler grantig, gesetzt und gelangweilt - nicht nur von den Drehbüchern. Eigentlich warte ich nur noch darauf, dass sie sich zur Ruhe setzen - beim Carlo vielleicht auf Thailand, um dort gemeinsam eine Alten-WG zu gründen wie sie das in "Nicht jugendfrei" geplant hatten (noch eine richtige Knaller-Folge!). Es macht keinen Spaß mehr, die neuen Folgen zu gucken, wenn man dem Team die Routine anmerkt.

Daher bin ich ein paar Kilometer weiter nordwestlich gewandert und nun ein Anhänger des Stuttgarter Teams Torsten Lannert und Sebastian Bootz. Das Verhältnis der beiden ist ähnlich geartet wie das der Münchner Kollegen, als sie noch jung und knackig waren, nur etwas kerniger und männlicher, kurz, subtiler. Außer bedeutsame Blicke gibt es wenig Zuneigungsbeweise, aber sie halten zusammen - nicht nur als Kollegen, sondern auch als Freunde.

Das von Richy Müller selbst etikettierte einsame Nordlicht Lannert erlaubt sich selten Gefühle, aber wenn es um seinen Kollegen Bootz geht (der süße Felix Klare - hat er nicht irgendwie ein bisschen was von Benedict Cumberbatch? Schon, oder?), wird er zum Löwen und scheut sich auch nicht, ihm das Steak auf dem Teller in mundgerechte Häppchen (schwäbisch: Reiderle) zu schneiden, wenn Bootz von einem Schuss in den Arm bei Alltagstätigkeiten beeinträchtigt ist ("Das Mädchen Galina"). Ich bin dahingeschmolzen!

Irgendwie wirklich goldig, die zwei. Dass Sebastian Bootz für Torsten Lannert so etwas wie ein Familienersatz ist, nachdem er unter tragischen Umständen Frau und Tochter verloren hat, kann man gut nachvollziehen. Und auch sonst weckt der junge Mann ja Ur-Instinkte mit seinem jugendlichen Aussehen. Man möchte ihn einfach in den Arm nehmen und knuddeln. Nein, sehen möchte ich das zwischen den beiden nicht (zumal Sebastian Bootz verheiratet ist und Kinder hat), aber mir gefällt das persönliche Konzept und die fast liebevoll väterliche Beziehung, die Lannert unter der harten Schale zu dem viel jüngeren Bootz aufgebaut hat.

Alle Stuttgarter Folgen mit ihnen habe ich leider nicht gesehen. Muss ich mal nachholen. Es laufen zwar immer Wiederholung, aber die Chancen, einen Stuttgarter zu sehen, stehen nicht mehr allzu gut. Inzwischen gibt es ja verwirrend viele Teams für jedes Kuhdorf in Deutschland. Finde ich nicht so doll. Ich meine, kaum hat man sich an ein neues Tatort-Gesicht gewöhnt, taucht schon wieder ein neuer cooler Kommissar auf oder eine ganze Armada davon. Hoffentlich bleiben uns die beiden Kurpfälzer als Ermittler im Ländle noch lange erhalten.

P.S. Noch lieber als den "Tatort" mag ich englische Krimis von der BBC. Die sind meist abwechslungsreicher, raffinierter, typenreicher und auch landschaftlich ein Genuss. Besonders schätze ich solche, die sich mit uralten Geheimnissen in altehrwürdigen Gebäuden befassen, z. B. das psychologisch ausgefeilte "Death in Holy Orders".


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